Olya Raskina

Olya Raskina

Interview

Olya Raskina ist seit 2008 auf der PWA Freestyle World Tour am Start und belegte in diesem Jahr den 4. Platz. Auch in dicken Wellen ist die Russin zu Hause, wie man auf den Bildern aus Mauritius sieht. Wir haben die 29-jährige Surferin aus Moskau interviewt.

Wann und wie hast du mit dem Windsurfen angefangen? Hast du das in Russland gelernt?
Haha, nooo way! Alles begann mit Snowboarden, ich bin schon fast mein ganzes Leben lang in den Bergen unterwegs. Wir haben definitiv die radikalsten und schönsten Berge der Welt, deshalb sind Snowboarden und Skifahren auch wirklich populär in meinem Land. Beim Snowboarden habe ich immer versucht an meine Grenzen zu gehen und mich damit öfters in Schwierigkeiten gebracht. Ich brach mir ein paar Rippen, hatte Bänderrisse, habe andererseites dadurch aber auch tolle Länder bereist, wie Neuseeland zum Beispiel.

Meine Begegnung mit dem Windsurfen war purer Zufall. Ich war auf einem Kurzurlaub mit ein paar Freunden in Dahab. Sie kiteten und surften, während ich wegen einer Knieverletzung kaum laufen konnte. Ich fand das aber sehr spannend und entschied hierher zurückzukommen, um Windsurfen zu lernen.

Olya Raskina

Zu dieser Zeit machte ich gerade meinen Uni-Abschluss in Moskau als Dolmetscherin und Übersetzerin, und plante dann meinen Trip nach Dahab. Dort lernte ich nach und nach die russische Windsurf Community kennen und Svetlana Martynova wurde eine gute Freundin.

Mich faszinierte Windsurfen vollkommen, als ich André Paskowski und Norman Günzlein beobachtete, beide trainierten dort zu dieser Zeit. Ich blieb einfach vor Ort und arbeitete fünf Jahre in Dahab.

Inzwischen reise ich aber meistens zu Wave-Spots und anderen Orten, aber wenn ich nach Dahab zurückkehre, erfüllt es mein Herz mit schönen Erinnerungen und dem guten Gefühl die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Olya Raskina

Wo geht man in Russland windsurfen?
Ich würde bei einer guten Vorhersage nach Anapa am Schwarzen Meer fahren. Von Zeit zu Zeit gibt es dort schwere Stürme. Ich habe viele Bilder von den guten Tagen dort gesehen, habe aber selber nie eine gute Vorhersage erwischt. Wenn ich in Moskau bin und es Wind gibt, würde ich nach Strogino fahren. Es liegt etwa eine halbe Stunde von meiner Wohnung entfernt. Es ist böig und bei Wind gibt es starken Regen, aber inmitten einer geschäftigen Großstadt auf einem grünen See surfen zu können, ist sehr selten und eine tolle Erfahrung. Wir haben einige kleine Windsurf Center und ich mag die Menschen, die dort leben und arbeiten, sehr gerne. Die Atmosphäre dort ist wirklich freundlich.

Wie fing es mit den Wettkämpfen an?
Ehrlich gesagt erinnere ich mich nicht mehr so genau, wann ich bei der PWA zum ersten Mal einen Freestyle Event mitgemacht habe. Es muss 2008 oder 2009 gewesen sein und ich war eigentlich noch gar nicht so weit, außerdem wirklich unvorbereitet. Aber ich war begeistert davon ein Teil der Tour zu sein und alle kennenzulernen. Es war eine unwirkliche Erfahrung: Ich hatte Angst, war aufgeregt, frustriert und glücklich zugleich... eine Mischung von Gefühlen, die nicht wirklich beim Wettkampf helfen, aber die dich alles sehr intensiv erleben lassen.

Olya Raskina

War es schwer einen Sponsor zu finden?
Ich hatte meinen Lebenslauf zu JP und NeilPryde in Russland geschickt und habe ihre Unterstützung bekommen. Ich bin jetzt über vier Jahre bei JP/NeilPryde und ich bin total verknallt in mein Equipment. Es hat mir sehr geholfen mich vom Freestyle in Richtung Welle weiterzuentwickeln.

Dazu bekam ich Roxy als Sponsor und bin dafür sehr dankbar, war nämlich schon vorher meine Lieblingsmarke. Ich trage die Kleidung gerne und so kann ich in den stylischsten und bequemsten Klamotten surfen und skaten. Gleichzeitig ist der russische Fotograf Kirill Umrikhin auch mein Roxy Team Manager, wir arbeiten zusammen und haben einige große Projekte auf Lager.

Lena Bam und ich haben zum Beispiel einen russischen Windsurf-Film mit dem Namen „Made in Ocean“ gemacht und Kirill startete eine große Fotoausstellung über Mauritius. Ich habe auch andere tolle Sponsoren wie Baby-G, Skullcandy und meine Lieblingsfinnen sind von MFC.

Olya Raskina

Wir kennen dich als Freestylerin. Wie kam es dazu, dass du nun in die Welle gehst. Trainierst du seit langem in der Welle?
Ich hatte das Gefühl ein wenig zu lange in Dahab steckenzubleiben. Deshalb startete ich das erwähnte Filmprojekt, das wir dann in Mauritius realisiert haben. Dort habe ich tolle Leute getroffen, Alex Zlobinskiy und Seva Shulgin zum Beispiel, sehr gute russische Wellenreiter und sie haben mir echt den Kopf verdreht. Ich wusste, dass sich ab sofort alles um Wellen drehen würde. Ich freestyle immer noch, unterrichte das auch wenn es keine Wellen gibt, aber mein Herz gehört definitiv den Wellen beim Windsurfen oder Wellenreiten.

Jetzt surfe ich schon seit einigen Jahren in der Welle aber mein Ziel sind nicht die neuen Tricks und Rotationen, sonders das pure Abreiten wirklich großer Wellen. Ich liebe das und bringe mich dabei an meine Grenzen. In meinem Kopf geistern einige Wellen herum, die ich sehr gerne surfen würde.

Olya Raskina

Vor Mauritius hast du einige wirklich große Wellen gehabt. Wie lief dieser Tag ab?
Ja, wir hatten einen sehr besonderen Tag dieses Jahr, es war der 22. August, als ein 10-Meter-Swell an die Küste von Mauritius rollte. Für einige Stunden war der Channel frei und wir konnten auf diesen Knallern surfen. Wir waren nur ein paar Freunde da draußen. Neben mir noch Seva Shulgin, Alex Zlobinskiy, Tom Hartman, Tom Foeda und ein oder zwei Kiter.

Kirill hat Fotos vom Helikopter aus gemacht und ein Boot war zu unserer Sicherheit noch auf dem Wasser. Bis zum letzten Moment war nicht klar, ob man auf den Wellen wirklich surfen konnte. Der Swell war groß und nicht sauber. Selbst im Channel brachen Wellen. So gegen zwei Uhr nachmittags änderten die Wellen ihre Richtung - nur um ein paar Grad, aber es wurde besser.

Olya Raskina

Seva, Alex und ich gingen zusammen raus und ich hatte am Anfang ziemlich viel Angst. Bis du deine erste Welle erwischst, diesen ersten Bottom Turn machst und fühlst, dass du genug Geschwindigkeit für den Cutback hast, hast du wirklich Angst. Wenn du das erstmal gemacht hast, wird alles einfach. Die Wellen in One Eye sind wirklich leicht zu lesen und wenn du dich traust, die größten Wellen eines Sets zu surfen, bist du wirklich sicher. Ich warte immer auf ein Set und nehme dann die letzte große Welle.

Wenn dann etwas passiert, hast du genug Zeit wieder rauszukommen, bevor das nächste große Set reinrollt. Das wichtigste bei One Eye sind Geschwindigkeit, Timing und die Fähigkeit die Welle lesen zu können. Manchmal brechen sie auf ganzer Breite, auch die ganz großen - du musst also gut aufpassen, wann du die Welle verlässt.

Große Wellen, mit einem offenen Gesicht, sind wirklich magisch! Es ist das beste Gefühl, was du haben kannst. Dieser Tag in One Eye war die perfekte Kombination von Swell, Gezeiten, Sonne und der Wind reichte gerade für mein 4.5er Fly und den 68er Quad aus.

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Ich war zufrieden aber nervös und ritt die größten Wellen meines Lebens. Am nächsten Tag war ich dann krank. Kopf und Körper mussten erstmal über diese Mischung aus Angst und Aufregung hinweg kommen. Ich glaube, davon wird man abhängig.

Wenn du dann weist, dass du dich daran gewöhnst, was dich vorher vor Angst lähmte und es dich nicht mehr so ängstigt, dann fängst du an größere Wellen zu wollen. Mir geht es da nicht um die Rekordwellen, eigentlich ist mir egal wie groß sie wirklich sind, ich fühle mich da mehr als Beobachterin. Ich mag es diese Sets in ihrer ganzen Schönheit ankommen zu sehen, denn es ist das Schönste, was ich je gesehen habe. Und zu fühlen, dass ich ein Teil dieser mächtigen Natur bin, das ist mir wichtig.

Ich mag starken Wind auch nicht sehr gerne. Das beste Gefühl habe ich, wenn die Wellen groß sind und der Wind gerade eben ausreicht, damit du die besten Wellen bekommen kannst. Dann kannst du dir das Herz aus der Seele surfen!

Olya Raskina

Was ist an One Eye so speziell?
Ich glaube, es ist die schönste Welle der Welt. Es ist definitiv eine der schnellsten Wellen und sie bricht auf ein ziemlich flaches Riff. Wenn du also zu spät dran bist oder zu langsam, dann ist dein Mast tot, die Verlängerung verbogen, dein Board kaputt und dein Hintern wird vom Riff aufgerissen. Du musst diese Welle kennen, aber der Fortschritt, den du hier machen kannst, ist unglaublich.

Jeden Tag fühlst du dich sicherer, legst dein Segel flacher in den Bottom Turn, gehst später in den Cutback und versuchst sogar Aerials. Jeden Tag besser zu werden ist das Gefühl, das One Eye dir großzügigerweise gibt. Natürlich ist die Natur um dich herum so wunderbar wie nichts, was du vorher gesehen hast. Es ist ein magischer Ort. Ich habe hierfür viel Respekt und auch für alle, die dort surfen.

Olya Raskina

Wie bereitest du dich auf große Wellen vor?
Nun, ich hatte einen Freitauch-Kurs in Dahab gemacht. Ich kenne also die grundlegenden Dinge des Atem-Anhaltens über eine längere Zeit. Ich mache jeden Tag Sport, um fit zu bleiben und ehrlich gesagt glaube ich, dass du nur ein paar Stunden in der Welle brauchst, um Vertrauen in deine eigenen Fähigkeiten aufzubauen.

Je mehr du in Wellen surfst, je weniger Angst hast du. Du musst dich auch pushen, aus deiner gewohnten sicheren Umgebung auszubrechen. Fahr in Wellen, die dir Angst machen um zu erfahren, dass du es kannst.

Olya Raskina

Crashst du oft und wirst gewaschen?
An diesem Tag in One Eye? Ja. Wie mein Freund Sega Shulgin sagte: „In großen Wellen surfen und nicht gewaschen werden, ist wie Sex ohne Orgasmus“. Ich denke was er meinte ist, dass du gewaschen werden musst, um die Größe der Welle wirklich zu spüren. Das gibt dir dann auf alle Wellen, die du vorher hattest, einen anderen Blickwinkel. Normalerweise spielst du in großen Wellen auf Sicherheit und du vermeidest es gewaschen zu werden. Ich bin nicht Jason Polakow, der die Lippen dieser Monsterwellen so spät erwischt, wie kein anderer. Ich mag seinen Stil und würde eines Tages gerne so fahren können wie er, aber ich bin eine Frau... also lasst uns objektiv bleiben :-)

Nun, an jenem Tag hatte ich eine Menge großer Wellen und das hat mich alles vergessen lassen. Ich vergaß vorsichtig zu sein. Ich dachte, ich sollte eine letzte Welle haben, an einem anderen Riff (Chameaux) und in meiner Erinnerung war es die größte und letzte Welle eines Sets. Als ich halste sah ich, dass mein Freundin Seva auf der nächsten Welle war. Sie war bestimmt doppelt masthoch.

Olya Raskina

Sevas Welle brach schon und ich stand im Windschatten, ohne einen Hauch Wind, um über diesen Berg zu kommen. Ich ließ mein Equipment los und tauchte unter dem größten Weißwasser meines Lebens hindurch. Ich habe davon sogar ein Bild! Als ich wieder an der Oberfläche war, waren Board und Rigg noch ganz in der Nähe. Chameaux ist eine freundliche Welle, nicht so hohl und schnell wie One Eye. Der Wipe Out war nicht wirklich schlimm, aber ich war eine lange Zeit unter Wasser.

Was sind dein Pläne für die Zukunft?
Nun ja, ich habe ganz bestimmt viele spannende Zukunftspläne. Mal sehen, was passiert. Ich könnte in Wave und Freestyle bei der PWA antreten und daneben ein paar große Wellen suchen. Ich möchte mehr filmen und bei Produktionen mitarbeiten. Wir haben mit Roxy in Russland aufregende Pläne. Daneben bringe ich Frauen das Windsurfen bei. Ich hoffe, dass Windsurfen größer wird, als es je war. Lasst uns diesen großartigen Sport anderen näherbringen und den Ozean zusammen erleben. Aloha!

18.11.2013 © DAILY DOSE  |  Text: Christian Tillmanns  |  Fotos/Grafiken: Kirill Umrikhin