zur neuen DAILY DOSE Startseite
Werben auf DAILY DOSE
Oahu Summer Story 2007
Matthias Jansen berichtet vom Sommer auf Oahu

Das Sommerhalbjahr fing für mich dieses Jahr an einem denkwürdigen Tag Anfang April an. Mein Windsurfboard war gerade in Reparatur, aber ich hatte vor der Arbeit noch vorsichtshalber mein Shortboard ins Auto gelegt, da sich eventuell ein kleiner Suedswell an Oahu’s South Shore bemerkbar machen sollte. Als ich am späten Nachmittag im Beach Park von Toes eintraf, war schnell klar, dass es tatsächlich Wellen gab. Mein Kumpel Jack nutzte gerade noch die letzten Böen der schwächelnden Trade Winds, um die kopfhohen Sets auf dem vorgelagerten Riff mit dem Windsurfboard zu schlitzen.

Als ich dann in der tiefstehenden Sonne rauspaddelte, war ich der einzige weit und breit im Wasser. Normalerweise nehme ich immer auf halber Strecke durch den Channel eine Abkürzung zum östlichen Peak, wo sowohl saubere Right- als auch Lefthanders brechen. Doch die Sets sind, wie sich nun aus nächster Nähe herausstellt, deutlich höher als kopfhoch, so dass ich die große Schleife durch den kompletten Channel nach draußen mache.

Der Paddle-out in Toes ist relativ lang, aber als ich nach gut 10 Minuten endlich am Peak sitze, genieße ich die Szenerie in vollen Zügen. Der lange Tag im Forschungslabor ist schnell vergessen. Alles, was ich im Licht der Abendsonne wahrnehme, sind die perfekten Linien der Sets, die in der leichten Offshore Brise vom Horizont hereinziehen.

Nach meinen ersten beiden Wellen kann ich kaum glauben, dass ich der Einzige im Line-up bin. Es ist einer der wenigen Tage, wo die Vorhersage nicht zutrifft, aber man sich darüber freuen kann. Sogar der unangefochtene Guru für Wellenvorhersagen in Hawaii, Pat Caldwell, hatte diesen Swell unterschätzt. Für die Südküsten der hawaiianischen Inseln ist das ohnehin keine leichte Aufgabe, da die Swells meist von Stürmen in über 4000 Meilen Entfernung im Südpazifik erzeugt werden. Auf dieser langen Strecke werden die sonst so berechenbaren physikalischen Gesetze der Wellenausbreitung häufig zum Lotteriespiel.
Oahu Summer Story 2007
Die Reisestrecke der Winterwellen an Oahu’s North Shore ist im Vergleich dazu nur halb so lang und einer der Hauptgründe, warum die Swells dort deutlich höher und kraftvoller sind. Wie dem auch sei, heute habe ich mit sauberen 3-4 Fuß nach hawaiianischen Maß (Höhe wird vom Wellenrücken gemessen und entspricht etwa einem Drittel des Wellenfaces auf der Vorderseite) scheinbar den Jackpot geknackt.

Nach einer Stunde, mein Grinsen wird immer breiter, passiert dann das Unglaubliche. Wie aus dem Nichts taucht aus einer von der Abendsonne angestrahlten Wellenlippe ein Schatten mit einer Rückenflosse auf und rast mit unglaublichem Speed in etwa 10-15 Metern schräg vor mir die Welle herunter, um genauso schnell wieder nach rechts im Channel zu verschwinden. Wow, ich konnte es kaum glauben, das war ein vielleicht 4-5 Fuß langer Riffhai, der vor meinen Augen im wahrsten Sinne des Wortes die Welle runtergesurft ist.

Dass kleinere Haie bei Flut auch schon mal über das Riff in die flachen Bereiche der Bucht hineinschwimmen war mir nicht ganz neu. Letzten Sommer hatte ein Fischer einen kleinen Riffhai in knietiefem Wasser 10 m vom Strand entfernt in seinem Netz zappeln. In der Hoffnung, dass der große Bruder von meinem neuen Surfkollegen weiter draußen bleibt, war ich ganz froh, als ich Doug, einen Local, mit seinem Stand-up Paddle Board durch den großen Channel kommen sah.

Zwei Minuten später kamen dann noch zwei wild-gestikulierende Shortboarder aus dem kleinen Channel, wo ich den Hai hatte verschwinden sehen. Wie sich dann herausstellte, wäre einer der Beiden fast mit der Dreiecksflosse kollidiert, wenn diese nicht im letzten Moment einen Haken geschlagen hätte.
Oahu Summer Story 2007
Während der letzten Stunde im Tageslicht teile ich mir die Wellen zum Glück nur noch mit surfenden Artgenossen – am Ende waren wir insgesamt zu fünft. Doug holte sich auf seinem SUP Board die dicksten Sets des Tages und fuhr unglaubliche Cutbacks in die Wellenhänge mit seinem Riesenboard. Als wir im letzten Licht der Dämmerung wieder ans Ufer paddeln, kann man am weißen Schimmer der Zähne in der Dunkelheit erkennen, dass jeder ein breites Grinsen im Gesicht hat. In solchen Momenten wird mir immer wieder klar, was ich für ein Glück habe, dass ich solche Erlebnisse nach einem ganz normalen Arbeitstag haben kann.

Als ich abends einem hawaiianischen Freund von der Begegnung mit dem „surfenden“ Hai berichte, schaut er mich fast ehrfürchtig an und erzählt mir, dass man solche Begegnungen in der hawaiianischen Mythologie früher als Erscheinung von Göttern gedeutet hat. So schlummere ich an diesem Abend mit einem magischen Erlebnis der besonderen Art ein.

Der Sommer zeichnete sich nachfolgend durch einen unberechenbaren Mix aus Wind und Wellen aus. Im Mai war beides Mangelware, im Juni gab es dann zum Glück ein paar gute Swells, allerdings wehten die Trade Winds meist gerade so stark genug, um die Wellen mit dem Windsurfboard zu bekommen. Mark van der Haave aus Holland kam dieses Jahr schon Anfang Juni nach Oahu und konnte so einige der besseren Wellentage einheimsen, bevor der restliche Tross aus Europa anreiste.

Im Juli gab es dann wieder etwas weniger Wellen, aber dafür wurden die Trade Winds zum Ausgleich etwas stärker.

Im August wäre Hawaii dann fast von einem Hurrikan heimgesucht geworden. Als meteorologische Faustregel gilt, dass mindestens ein großer Hurrikan in jedem Jahrzehnt über Hawaii hinwegzieht. Das letzte Mal war es „Iniki“ im Jahr 1992, der eine Spur der Verwüstung auf der nördlichsten Insel Kauai hinterlassen hatte. Makaber war damals, dass der Hurrikan eigentlich schon an den Inseln vorbeigezogen war, um dann wieder umzudrehen und stärker als zuvor insbesondere über Kauai herzufallen.

Oahu Summer Story 2007
Die meisten dieser Stürme entstehen vor der Küste von Mexiko und drehen nach Norden ab, wo sie in kälteren Gewässern zerfallen bevor, sie Hawaii erreichen. Besonders gefährlich sind die Stürme, die südlich von Hawaii vorüberziehen, da sie dort in den warmen Wassertemperaturen fleißig Energie auftanken können. So kam auch „Flossie“ im August als Hurrikan der Stärke 4 (auf einer Skala von 1-5) von Süden herangepirscht, und jeder stellte sich schon auf den längst überfälligen schweren Hurrikan ein.

Nachdem auf Oahu letztes Jahr in Folge eines Erdbebens der Strom für einen kompletten Tag ausfiel, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie schnell hier das Leben lahm gelegt sein kann. So kaufe auch ich ein paar Konservendosen mit Chili und Ravioli ein, um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein. Glücklicherweise drehte „Flossie“ im letzten Moment ab und schickte zu unserer Freude lediglich ein paar Wellen vorbei.

Der September folgte wie in den Jahren zuvor wieder mit einer guten Mischung aus Wind und Wellen und sorgte für einen guten Ausklang des Sommers.

Außerdem wurde ich Zeuge eines typisch amerikanischen Schauspiels. Beim diesjährigen „Aloha-Festival“ in Waikiki waren die „Thunderbirds“ zu Gast. Dabei handelt es sich um eine Jetfighter-Formation der US Airforce, die quer durchs Land zieht, um auf diversen Festveranstaltungen ihre Flugshow in den Himmel zu zaubern. Über den Sinn solcher Flugshows kann man sicher streiten, und für mich war es das erste Mal so etwas live zu sehen, aber ich muss zugeben, dass es sehr beeindruckend ist diese halsbrecherische Flug-Akrobatik aus nächster Nähe mitzuerleben. Der Name „Thunderbirds“ ist im wahrsten Sinne des Wortes Programm, denn es wird teilweise verdammt laut, wenn sie ihre Runden im Tiefflug ziehen.

Dieses Jahr wird ein La Nina Winter vorhergesagt, was in der Regel weniger große Swells für den North Shore bedeutet. Keine schlechte Sache eigentlich, da es dort häufig sowieso zu viel des Guten hat und deshalb im Umkehrschluss, zumindest für die nicht Tow-in Surfer, sogar mehr surfbare Tage bedeuten könnte – wir werden es in den nächsten Monaten herausfinden...

Oahu Summer Story 2007
Werben auf DAILY DOSE