Bruce Whylie

Interview

Bruce Whylie

Bruce Wylie wurde in seiner aktiven Regattazeit Windsurf-Olympiasieger und Weltmeister. Jetzt ist der Australier Chef der Windsurf-Sparte des größten Windsurf-Boardherstellers Cobra International in Thailand.

Wie bist Du zum Windsurfen gekommen?
Ich bin ich in der Nähe eines Salzwassersees aufgewachsen, der mit dem Ozean verbunden ist, dem Lake Macquarie in New South Wales, Australien. Mein Vater interessierte sich für Segelregatten und wir verbrachten die Wochenenden mit meinem Vater beim Zelten und auf dem Boot. Er führte mich und meine älteren Brüder in sehr jungen Jahren ins Jollensegeln ein und brachte uns Regattasegeln bei. Dann brachte ein Freund der Familie einen Windsurfer aus Sydney mit und zeigte mir und meinen Brüder 1978 das Windsurfen. Von da an waren wir süchtig.

Was fasziniert dich am Windsurfen?
In der Anfangszeit war es eine große Herausforderung, auch weil ich mit 12 Jahren noch recht klein war und einen Windsurfer mit schwerer Teakholzgabel benutzte. Aber den Nervenkitzel, als ich das Brett zum ersten Mal in Bewegung setzte, werde ich nie vergessen. Und dann die ständige Herausforderung, Fähigkeiten zu entwickeln, um meine Leistung zu verbessern, und die Abenteuer, die sich abeim Ausüben des Sports auf der ganzen Welt ergaben, veränderten natürlich mein Leben. Mein Traum ist es nun, einige dieser Gefühle, Abenteuer und Möglichkeiten mit anderen zu teilen, damit sie die gleichen Erfahrungen machen können wie ich sie in der Vergangenheit gemacht habe.

Du hast sehr erfolgreich an Wettbewerben teilgenommen. Einer der Erfolge ist der Sieg bei den Olympischen Spielen 1984. In welchen anderen Klassen warst du aktiv und bis wann?
Ende 84 gewann ich auch die Weltmeisterschaften der Windsurferklasse in Course Racing, Slalom und Pentathlon, ich wurde zweiter im Freestyle und dritter im Slalom. (Pentathlon umfasste fünf Disziplinen, unter anderem Slalom, Olympische Kursrennen, Freestyle, Marathon / Anm. d. Red)


Ab dann fuhr ich einige Division II-Rennen (das waren reine Verdränger-Rümpfe, die bei wenig Wind Vorteile hatten / Anm. d. Red.) und dann direkt in den WSMA Pro Circuit, wo ich 1986 Teil des Mistral Gaastra Teams wurde. Ich fuhr 12 Jahre lang Rennen als Profi, vergleichtbar mit den heutigen PWA-Wettkämpfen. Mein letztes Jahr war 1997. Als es richtig gut lief, war ich routinemäßig unter den Top-10 mit einigen Top-5-Platzierungen, ich war damals für einige Jahre auf dem 6. Platz der Weltrangliste.

Frühe Segler: Bruce und seine Geschwister mit einem Optimisten
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Wie ging der Wechsel zur Business-Seite des Windsurfens vonstatten?
Ich denke, dahinter verbergen sich drei wesentliche Punkte:

Als Kinder halfen wir unserem Vater, zusammen mit meinen Brüdern, beim Bau unserer Segeljollen, wobei wir im Hinterhof ein Boot bauten. Ich habe also immer Dinge gebastelt, die dazu führten, dass ich von klein auf meine eigenen Finnen und Schwerter baute und dann bauten wir mit meinen Brüdern in der Garage auch unsere ersten Windsurfbretter.

1985, nachdem ich die Olympischen Spiele und die Weltmeisterschaften gewonnen hatte, steckte mich mein Hauptsponsor "Sailboards Australia" in einen Kurs für öffentliches Reden und menschliche Beziehungen. Das sollte mir bei der Werbung und dem Verkauf ihrer Bretter helfen. Dort habe ich viel gelernt.

Als Profi-Windsurfer war ich immer an der Entwicklung unserer neuen Segel und Boards beteiligt. Dies führte dazu, dass ich auf Maui meine eigenen Boards herstellte, die ich hauptsächlich nach Japan und einige wenige Kunden in den USA verkaufte. Zur gleichen Zeit habe ich einige Board-Shapes für Drops und Mistral gemacht.

1984 lief es gut: Bruce gewinnt den WM-Titel in der Windsurfer-Klasse
1984 lief es gut: Bruce gewinnt den WM-Titel in der Windsurfer-Klasse

Cobra International ist DER Produzent von Boards für viele Marken der Windsurfindustrie. Als Zulieferer baut Cobra die kompletten Boards nach Kundenspezifikationen. Wie bist Du zu Cobra gekommen, und kannst Du uns verraten, was Du bei Cobra machst?
Während meiner Zeit als Entwickler für Mistral hatte ich Kontakt mit Cobra, wenn wir die Prototypen für die Produktion zu Cobra schickten. Etwa 2001 nahm ich auch einen Mistral-Prototypen mit zu den IMCO-Weltmeisterschaften nach Thailand und besuchte auch Cobra. Aus meiner Zeit als Profi bei Mistral & Gaastra hatte ich auch Verbindungen zu Rainer Ramelsberger, der zu dieser Zeit mit Cobra zusammenarbeitete, und über einen gemeinsamen Freund auf Maui hatte ich auch Verbindungen zu Andre Plump, ebenfalls einer der Schlüsselmanager bei Cobra, die zu dieser Zeit alle mit mir in Kontakt standen.


Was mache ich bei Cobra? In der ersten Zeit arbeitete ich in der Produktion, wo ich Bretter herstellte und Fehlersuche betrieb. Ich begann auch mit der Herstellung von kundenspezifischen Prototypen-Boards für Cobra-Kunden - dies wird bis heute fortgesetzt, aber nicht von mir. Dann stieg ich durch die Bereiche Produktion und Entwicklung auf, bevor ich dann begann, die Verantwortung für die Produktion zu übernehmen. Dann wurde ich Leiter der Windsurf-Business Unit und bin jetzt der Chief Commercial Officer für die Wassersportabteilung von Cobra.

Wie schwer ist es, neue, grünere Wege in der Produktion zu finden und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu sein? Hast du das Gefühl, dass ihr in diesem Bereich vorankommt und dabei trotzdem noch Geld verdienen könnt?
Ja, ganz sicher. Wir arbeiten daran umweltbewusster zu werden und unsere Auswirkungen auf die Umwelt Tag für Tag zu verringern. Wenn du die Website www.cobrainter.com besuchst, kannst du die letzten jährlichen Nachhaltigkeitsberichte einsehen, die unsere Bemühungen dokumentiern. Dazu gehören die Reduzierung des Wasser- und Stromverbrauchs, das Pflanzen von Bäumen rund um die Fabrik und eine effektivere und sauberere Produktion in der Fabrik zur Abfallreduzierung. Und natürlich arbeiten wir auch mit Lieferanten an umweltfreundlicheren Materialien. Auf dieser Liste stehen unter anderem Kerne, Fasern, Sandwich-Materialien, Harze, Farben, EVA- und Spritzgussteile.

Balance-Akt: Ein Top-Freestyle-Trick der Achtziger
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Glaubst du, dass Cobra zu einem geschlossenen Kreislauf gelangen kann und in der Lage sein wird, ganze Boards (oder Finnen) zu recyceln?
Ja! Für Finnen und Komponenten sehen wir, dass wir den Kreislauf schließen können. Für ein komplettes Board wird es länger dauern und es wird logistische Herausforderungen geben, aber aus Materialsicht wird es möglich sein, ein Board zu recyceln.

Themenwechsel. Schauen wir uns den Markt an. Heute wird ein Brett mit einem Schwert oft als ein "Anfänger"-Brett bezeichnet. Glaubst du, dass das fair ist?
Nein, das ist überhaupt nicht fair. Ich bin mit Jollen und Segelbooten aufgewachsen, und diese haben alle aus eine Art Abdrifthemmer. Als ich dann mit dem Windsurfen anfing, hatten alle Bretter Schwerter - denkt an den Windsurfer und Windglider. In der Division II und den Pan Am Cup Langstreckenrennen waren alle Offshore-Rennbretter hochentwickelt und leistungsstark, und diese hatten auch alle Schwerter. Im Rückblick waren einige der technischsten und taktischsten Rennen, die ich im Laufe der Jahre gemacht habe, auf längeren Brettern mit Schwert. Sicherlich werden die weit entwickelten Formula- oder jetzt Foilboards schneller sein, aber für taktische Rennen unter den verschiedensten Bedingungen denke ich immer noch, dass Longboards für einen größeren Benutzerkreis eine bessere Option sind.

Zumindest in Nordeuropa reisten die Menschen in den 80er Jahren mit ihren Brettern, segelten von Strand zu Strand, hatten Campingausrüstung an Bord, manchmal tagelang. Ein solcher Abenteueransatz ist heute fast verloren. Warum, glaubst du, ging das verloren?
Ich sehe ich hier ein paar Faktoren: Erstens konzentrierte sich die Entwicklung der Ausrüstung viele Jahre lang auf schnellere, kürzere und radikalere Boards, und diese kleineren Boards eigneten sich nicht für solche Abenteuer, wie du es beschreibst. Und heutzutage haben wir es mit einer Smartphone-Generation zu tun, die sich schwer tut, an anspruchsvollen Sportarten festzuhalten. Fügt man dem noch etwas Abenteuer hinzu, so entfernt sie sich immer weiter von den heutigen Smartphone-Kids. (Den Kommentar sollte man in Relation zur Boom-Phase des Windsurfens sehen, in dem es fast ein Breitensport war / Anm. d. Red.)

Nach dem Olympiasieg (1984) folgte der Umstieg auf kurze Bretter.
Nach dem Olympiasieg (1984) folgte der Umstieg auf kurze Bretter.

Du hast den neuen Windsurfer LT entworfen. Das Brett scheint mit dem "Retro"-Stempel eine Nische zu besetzen, an der die Leute es eher als das sehen, was es ist, ein Board, das sehr vielseitig ist, und nicht nur ein Anfängerbrett ist. War die Retro-Referenz von Anfang an geplant?
Ja, ganz sicher. Wenn man ein Mehrzweck-Longboard wieder auf den Markt bringt, kann man erwarten, dass es mit einem Retro-Label versehen wird. Ich persönlich halte das für eine gute Sache. Es ist für mich nicht schlecht, unseren Sport aus der Vergangenheit zu zeigen und mit einer neuen Generation zu teilen.

Wie hat die Entwicklung des Windsurfer LT begonnen? War es als "Windsurfer" geplant, oder war es eine Entwicklung, die du (oder Cobra) selbst begonnen hast?
Vor ein paar Jahren, als ich mir die Wind SUPs auf dem Markt mit der Windsurf-Option ansah, hatte ich das Gefühl, dass wir ein besser abgestimmtes Brett anbieten könnten. Die Cross-Over-Bretter wurden vornehmlich als SUPs entworfen und nur mit einem Mastfuß versehen, so dass sie nicht so gut funktionieren wie Leichtwind-Windsurfbretter. Aus meiner Erfahrung hatte ich das Gefühl, dass ein Brett, das als Leichtwindsurfbrett entworfen wurde, als SUP sehr gut funktionieren würde. Die Idee war also, sich zuerst auf das Leichtwindsurfen zu konzentrieren, mit dem Ziel, auch für SUP-Zwecke sehr gut nutzbar zu sein, und nicht umgekehrt. Zuerst hatten wir die Idee, unseren Cobra-Kunden das Board als Option anzubieten, dann zeigte die Windsurfer-Klasse Interesse an dem Projekt und arbeitete mit uns zusammen, um das Board auf den Markt zu bringen.

Seinen Lebensmittelpunkt hat Bruce, hier mit seiner Familie, jetzt in Thailand
Seinen Lebensmittelpunkt hat Bruce, hier mit seiner Familie, jetzt in Thailand

Ist das Windsurfen immer noch das Hauptproduktionsfeld von Cobra oder produziert Cobra mehr für andere Bereiche?
Windsurfen ist mit Sicherheit immer noch ein wichtiger Teil des Geschäfts von Cobra und für den Wassersport produzieren wir auch eine große Anzahl von SUPs, Surfbrettern und Kiteboards. Und für alle Brettsportarten bieten wir die One-Stop-Shop-Optionen für ein Komplettangebot inklusive Finne, Boardbag oder Zubehörartikeln an. Zusätzlich bieten wir nun auch Segel an. Ja, es gibt eine Automotive-Division, die als Lieferant für hochwertige Verbundwerkstoff-Komponenten für führende Automobil-OEMs wächst, sowie andere Bereiche, die sich der Herstellung von architektonischen Verbundwerkstoff-Komponenten und elektrisch betriebenen Verbundwerkstoff-Produkten wie Robotern und UAVs widmen.

Entwicklungsstufen des neuen Windsurfer LT
Entwicklungsstufen des neuen Windsurfer LT

Was ist dein Wunsch für den Sport Windsurfen? Wie siehst du die nächsten Jahre?
Aus persönlicher und beruflicher Sicht wünschen ich mir ein Wiederaufleben des Interesses am Windsurfen und mehr Windsurfer. Aus diesem Grund unterstützen wir die World of Windsurfing, eine Industrieorganisation mit Sitz in Deutschland, die sich darauf konzentriert, gemeinsam am Wiederaufbau des Windsurf-Sports zu arbeiten. Und dies war auch die Motivation für die Entwicklung des Windsurfer LT, eben um eine Plattform zu schaffen, die es einer größeren Anzahl von Menschen ermöglicht, auf allen Ebenen auf einem Brett am Windsurfen teilzunehmen - ähnlich wie meine Generation den Sport damals ausgeübt hat. 


Heute sehen wir auch einen Anstieg des Interesses, das jetzt von der neuen Foilingausrüstung
 ausgeht, die sicherlich einige ehemalige Fahrer zurück aufs Wasser lockt und gleichzeitig auch der neuen Generation wirklich cool erscheint.

Bei all diesen Dingen muss ich sagen, dass wir in den letzten Jahren einen Wiederaufschwung in der Windsurfing-Welt erlebt haben, und jetzt - nach dem Schlimmsten von Covid - scheint es wirklich aufwärts zu gehen. Hoffentlich können wir dieses neue Interesse am Windsurfen für die absehbare Zukunft am Leben erhalten.

08.07.2020 © DAILY DOSE  |  Text: Christian Tillmanns  |  Fotos/Grafiken: Privat / Bruce Whylie