Lanzarote Winter Swell

Die Wellensaison hat auf den Kanarischen Inseln begonnen. Tom Brendt hat die Action für DAILY DOSE beobachtet.

Der Sommer ist vorbei. Die Uhren wurden mal wieder eine Stunde zurückgestellt und auch der Nord-Ost-Passat hat sich bereits vor einiger Zeit auf seine alljährliche Reise gen Süden gemacht. Die Temperaturen sind allerdings weiterhin sommerlich hoch.

Und doch kündigt sich der Winter an, denn die ersten Winter Swells bewegen sich langsam aber stetig auf die Kanaren zu und neben großer Vorfreude macht sich in der Big Wave Szene bereits etwas Anspannung und Nervosität breit.

Natürlich werden die kanarischen Inseln auch in den Sommermonaten von teils nicht als klein zu bezeichnenden Wellenbergen heimgesucht, doch die Qualität, die Intensität der im Winter heranrauschenden Dünung ist unvergleichbar.

Teilweise immense Tiefdruckgebiete im hohen Norden des Atlantiks treiben im Winter enorme Energien auf eine lange Reise, welche dann an südeuropäischen Küsten und den Inseln im Atlantik abrupt abgestoppt werden. Nicht nur teils haushohe, sondern vor allem auch unglaublich schnelle und kraftvolle Wellen donnern dann auf die Strände und Riffe.

Zwei der wohl berüchtigtsten Riffe des gesamten Archipels befinden sich vor dem Fischerdörfchen La Santa, im Nordwesten Lanzarotes. Zum einen wäre da „El Quemao“, eine der schönsten Tubes auf diesem Planeten, direkt vor dem Ort.   Jedes Jahr findet hier das Quemao Class, ein invitational Event statt.

Ein Event welches seinesgleichen sucht. Schwenkt man seinen Blick von Quemao weg nach rechts, zum nördlichen Teil der Bucht La Santas, findet man „the Right“. Einen Righthander, welcher bereits bei kleineren Swells ziemlich unbarmherzig daherkommt. Bei wirklich großen Winterswells konzentriert sich alles auf the Right, welche dann in atemberaubender Größe deutlich weiter vor der Küste bricht.

Die Sonne hat sich gerade erst über den Horizont geschoben, wirft ein warmes Licht durch die Fenster eines kleinen Bistros im Osten der Insel auf meinen Cafe. Das Telefon vibriert. Es ist die Nachricht, dass es losgehen kann. Auf nach La Santa, zum ersten Winterswell des Jahres.

Bilder der vergangenen Jahre schießen mir während der rund vierzig minütigen Autofahrt durch den Kopf und feuern die Vorfreude weiter an. Noch einen Hügel überwinden, bevor es durch das Örtchen Tinajo endlich bergab geht nach La Santa. Spätestens hier fängt das Erlebnis La Santa bereits an. Der weite Blick auf die Ortschaft und die dahinter liegende Bucht, in weißen Schaum getaucht, lässt den Atem stocken und den Puls beschleunigen.

Beim passieren des Ortschildes bilde ich mir ein, das Tosen des Meers über den Asphalt bis ins Innere des Autos zu spüren. Spätestens wenn die Schuhsohlen dann aber tatsächlich den Boden berühren, ist die Gewalt des Ozeans spürbar und versetzt einen in eine andere Welt.

Eine Welt des Staunens, des fassungslosen. Eine Welt gespickt mit Superhelden. Zumindest für die zahlreichen Zuschauer im Ort und am Ufer sind die Wellenreiter und Jetski-Fahrer da draußen nichts anders als genau das. Kraftvoll aber auch anmutig paddeln sie in die Steilwände oder lassen sich per Jetski an den Rand von der Barrels ziehen. Manchmal fehlt es selbst den schnellen Big Wave Guns an Geschwindigkeit worauf Mensch und Board für eine Weile unter Wasser und Schaummassen verschwinden.

Dann ist es Zeit für spektakuläre Rettungsaktionen. Die Jet Ski Piloten kennen den Spot samt Strömungen in Perfektion und so vergeht kaum Zeit, bevor sich alle erneut im Line Up befinden, um sich auf die nächsten herannahenden Sets vorzubereiten.

Wer es vorzieht dem Treiben auf dem Wasser und vor allem den Wellenbergen aus sicherer Entfernung zuzusehen, dem bietet sich die Mini Promenade im Ort umsäumt von knallig bunten Fischerbooten oder das steinige Ufer am Ortseingang als ideale Tribüne.

An den großen Tagen holen die Fischer ihre Boote aus dem Wasser und parken sie in die engen Strassen und Gassen, sehr speziell anzusehen und das beste Zeichen dafür, dass wirklich große Wellen anrollen.

Um deutlich näher an Schauspiel heranzukommen, folgt man der Strasse aus La Santa Richtung Norden zum Sport-Leistungszentrum für einige hundert Meter. Dort geht es links Richtung Landzunge. Diese Straße führt fast direkt auf die Wellen zu. Parkmöglichkeiten gibt es ausreichend und Platz für Neugierige und Enthusiasten ebenfalls. Viel näher kommt man an solch ein Spektakel wohl kaum heran.

Von hier aus werden waghalsige Take Offs ebenso frenetisch bejubelt wie auch lange Ritte, Monster Tuberides und die teils wirklich riskanten Rettungsaktionen der Jetskis. Ob die Ritter in ihren aufblasbaren Rüstungen im Line Up etwas von dieser Stimmung am Ufer mitbekommen, ist eher zweifelhaft.

Mit Donnerhall krachen die meterdicken Wellenlippen auf die Wasseroberfläche, verteilen eine Gischt welche nicht nur den Blick auf die nächsten Wellen eines Sets vernebeln, das Fotografieren durch diese Nebelwand zu einer wahren Herausforderung machen sondern teilweise die gesamte Bucht samt dahinter liegender Ortschaft in einen fast schon mystischen Blauton hüllen.

Es war der erste große Swell der die Westküste Lanzarotes in diesem Winter erreicht hat und es werden auch in diesem Jahr sicherlich noch etliche weitere folgen. Ich werde da sein, denn dieses Szenario, dieser idyllische Ort, ziehen einen in seinen Bann. Die Vorfreude auf das, was noch alles kommen kann ist riesig. Denn es war erst der Anfang und die Vergangenheit zeigt, das mit noch deutlich größeren Wellen zu rechnen sein wird.