Philip Horn ist Inhaber des Kieler Unternehmens Liquid Sports.
Philip Horn ist Inhaber des Kieler Unternehmens Liquid Sports. Zusammen mit seinem Team, darunter der ehemalige CMO von ADIDAS, startete er die Wing-Marke Vayu.

Vayu hebt ab

Philipp Kümpel hatte ein Doppelgängererlebnis, war zu Besuch bei Philip Horn in Kiel und hat sich dessen neue Wing-Marke Vayu angesehen.

Laut einer Studie soll jeder Mensch einen fremden Zwilling auf diesem Planeten haben. Dies sind also Menschen, die einem selbst optisch ähnlich sehen. Meist findet man diesen Menschen natürlich nicht in der eigenen Umgebung. Dieser Doppelgänger könnte natürlich unerreichbar irgendwo in Island leben. Es gibt sogar ein Projekt mit dem Namen „Twin Strangers“, welches weltweit das Netz nach dem eigenen Ebenbildern abscannt.

Ich habe meinen Doppelgänger ganz anders kennengelernt. Es war vor ein paar Jahren bei meinem zweiten DWC Cup auf Sylt. Ich lief über den Strand und jemand fragte mich, ob ich an seinen Xcel Neo gedacht hätte. Ich lächelte und schüttelte den Kopf. Der Fremde meinte: „Bring ihn mir bitte morgen mit, du hast es versprochen!“ Ein paar Minuten später kam der Nächste und fragte mich wieder nach einem Xcel Neo. Das ging den ganzen Tag so. Irgendwann antwortete ich, daß ich nicht derjenige sei den sie suchten. Da fragte mein Gegenüber, ob ich nicht Philip sei? Klar bin ich Philipp, Philipp Kümpel und verdiene mein Geld als Filmkomponist! Da entschuldigte sich mein Gegenüber und meinte: „Oh, du siehst exakt aus wie Philip Horn, der Chef von Liquid Sports“.

Einige Zeit später traf ich den anderen Philip. Der vertreibt als Großhändler in Deutschland zum Beispiel Neoprenanzüge sowie Windsurf- und Tauchzubehör. Er sah mir wirklich etwas ähnlich. Er hatte ein „p“ weniger im Vornamen, was gravierend ist. In der Musiksprache steht „p“ für piano, also leise und „pp“ für pianissimo, also ganz leise.

Philip Horn mit dem Vayu Anfängerboard.
Das Wing von Vayu hat eine eingebaute, klappbare Haltestange. Rechts: Philip Horn mit dem Prototypen eines Einsteigerboards, bei dem auch Finnen an diversen Positionen montiert werden können.

Nach diesem zufälligen Treffen gab es vor einigen Tagen ein geplantes Treffen in Kiel bei Philips Firma Liquid Sports. Er wollte mir Großes zu berichten und tat geheimnisvoll! Würde er nun auch Filmkomponist werden wie ich?

Nein, es ging um etwas ganz anderes. Wie es sich für Zwillinge gehört, hatten wir beide etwa zur gleichen Zeit mit dem Wingen angefangen und waren sofort begeistert. Das würde ein riesen Ding werden, größer als Windsurfen und Kiten zusammen. Dies war uns beiden schnell klar. Ich übte den Sport nur aus, aber der Philip mit dem weniger leisen „p“ ging die Sache richtig generalstabsmäßig an. Er durchforstete den gesamten Markt, fand Gutes und auch Fehlwege. Da er seit Langem in der Surf- und Kitebranche tätig ist, kannte er alle wichtigen Zulieferer und Designer. Es fehlte ihm jedoch der letzte Anstoß, etwas Eigenes zu machen. Philip Horn traf dann auf den Ex-CMO von Adidas von Adidas, der Lust auf etwas interessantes Neues hatte. Um heute als Marke zu bestehen, braucht es natürlich exzellente Kenntnisse der Onlinewelt. Diese eröffneten sich durch einen Mitarbeiter von Zalando. Letztendlich kamen noch ein Shaper und ein Wing-Designer hinzu.

Vayu auf dem Wasser
Zum gemeinsamen Ausprobieren geht es nach Grönwohld bei Kiel.

Unzählige Protoypen wurden gebaut, nichts war zu exotisch, alles wurde getestet. Es gibt einen Keller bei Liquid Sports, der Daniel Düsentrieb genannt wird. Hier stapeln sich all die Ideen und Versuche. Eines davon ist ein 180 Liter Wingfoil Schulungsboard, an dem Finnen an verschiedenen Positionen montiert werden können, um das Foilen und die Kontrolle über den Wing zu erlernen. Dieses Board wird in Serie gehen. Hinzu kommt auch eine mobile Wingfoilschule für die gesamte Familie, die an verschieden Spots halt machen wird. Das Projekt startet schon diesen Sommer.

Am Ende der Produktentwicklung standen eine Reihe neuer Boards mit unterschiedlichen Designs und Bauweisen sowie ein Wing mit einem neuartigen klappbaren Boom, plus aufblasbarer Strut. Die Gabel bleibt immer am Wing und braucht nicht umständlich ein- und ausgebaut zu werden. Dieses System wurde auch patentiert. Die neue Marke erhielt einen passenden Namen: VAYU. Vayu ist der Windgott. Ihn hat wohl jeder Surfer schon mal unbewusst angebetet.

Vayu Wing im Sprung
Die Windgötter lieferten.

So, das war viel Geschichte für mich und ich bin ja nur pianissimo und mag es lieber leise. Wo ist es leise? Auf dem Meer beim Wingen. Philip Horn schlug vor, dass ich seine Produkte doch gleich mal testen soll. Na was für eine feine Idee! Der April zeigte sich gerade ganz wechselhaft und es schneite.

Mein Jammern half nichts. Ab nach Grönwohld bei Kiel. Hier findet auch jeden Sommer das Vincent Langer Kids Camp statt. Da wäre ich an diesem Tag lieber gewesen… Aber Jammern nutzt nichts, rein in den eiskalten 6 mm Neo, ein Vayu Board unter dem Arm geklemmt und dann noch den Wing auf den Rücken. Kein Mensch war auf dem Wasser, aber es ballert. Ich selbst bin bisher nur Boards um die 120 Liter Volumen gefahren. Hier bekam ich ein 110 L Vayu Board mit einem Vayu Foil und dem Wing mit Klappboom zum Testen gestellt. Philip Horn wollte natürlich mit mir zusammen aufs Wasser.

Na toll, erst einmal 200 Meter mit dem Material durch das eiskalte Wasser waten, bis hinter einer Sandbank endlich genug Wassertiefe für das Foil vorhanden war. Wir klettern beide auf die Boards. Zoom, und schwups war Herr Horn am Horizont entschwunden. Er kennt sein Material, ich noch nicht. Gerade beim Wingen sind die Unterschiede zwischen den Marken derzeit noch sehr groß. Ich taste mich daher langsam vor. Das Board ist trotz der 110 Liter kippstabil und lässt mich samt Wing in kurzer Zeit aufrecht stehen, trotz des eiskalten Wellengangs.

Der Boom am Wing fühlt sich angenehm an. Er hat etwas weniger Durchmesser als ein Windsurfboom und ist damit gut und kraftsparend selbst mit Neohandschuhen einzusetzen. Ein kurzer Zug mit der hinteren Hand und das Board hebt sich aus dem Wasser und geht in Flugposition. Herr Horn springt derweil lässig umher. Ach ja, so ein Zwilling muss natürlich zeigen, wer der Babo ist. Der Tag wird kommen, an dem ich mit dem Doppelloop kontern werde. Ich drehe ein paar Runden mit dem Material, dann bin ich völlig durchgefroren. Aus meinem Zähneklapper pianissimo ist ein Klapper fortissimo geworden, ein Wunder, das meine Kauleiste nicht komplett aus dem Gesicht fällt.

Bei Eiseskälte Neues zu Probieren ist gar nicht so einfach.

Vayu Wing Foil auf der Ostsee

Mein Fazit? Der Windgott hat geliefert! Der Wing war für mich wirklich leicht und stabil in jeder Böe zu fahren. Man kann ruhig eine Größe kleiner wählen als bei anderen Wings. Das Board fand ich optisch schön und ich stand sehr gut darauf. Mir fehlte jedoch einfach die Testzeit, um das Board für mich wirklich durchzutesten. Ich werde das in ein paar Wochen nachholen.

Philip Horn trainierte trotz des einsetzenden Schneesturms weiter seine Flugmanöver und freute sich aus dem Nichts heraus eine komplette Marke erschaffen zu haben.

Ich werde den etwas lauteren Philip demnächst in mein Studio einladen. Dort kann er mir auf meinen Instrumenten mal etwas komponieren. Somit wären wir Zwillinge quitt.

Also immer schön die Augen aufhalten bei der nächsten Surfsession, irgendwo ist auch dein Zwilling!

12.04.2021 © DAILY DOSE  |  Text: Philipp Kümpel  |  Fotos/Grafiken: Philipp Kümpel, Vayu