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Windsurfen bei Leichtwind
Paul Bohne war eigentlich kein Fan von Großsegeln auf Windsurfboards. Im Selbstversuch baute er seine Vorurteile ab.

„Windsurfen bei 10 Knoten? Man, da geh‘ ich Fahrrad fahren.“ Das war meine in Stein gemeißelte Meinung.

Zu abwegig kam mir die Vorstellung vor, mit einem Segel, welches so groß wie mein Schlafzimmer ist, aufs Wasser zu gehen. Generell erzeugen ja Segel jenseits der sieben Quadratmeter bei den Nordlichtern schon Kopfschütteln, für mich sollte eigentlich bei guten neun Quadratmetern nun wirklich Schluss sein. Bei weniger Wind begab ich mich lieber mit den Mitstreitern der „Graugänsegattung“ auf mein Rad und zog mit der Ausschau auf das günstigste Stück Kuchen in Kombination mit einem Kännchen Kaffee los zur „Landpartie“. Diese mit 2,50€ eher günstige Freizeitgestaltung brachte mich über die Sommerflaute.

Nur leider wartete der Herbst 2012 im Binnenland, wie auch in unmittelbarer Nähe der Ostsee kaum mit entsprechender Belüftung auf. Nachdem die Vorhersagen auf Windfinder sich Ende November auch in den windtechnischen Winterschlaf begaben, stellte sich die existentielle Frage: „Soll ich meine letzten Euros zusammenkratzen und mich 10 Tage pauschalreisemäßig Richtung Kanaren bewegen und nach dem Sommer in Seniorenbegleitung nun auch auf die gleiche Weise den Januar im Überwinterungsparadies der Rentner verbringen?“

Die Mietpreise und die für die Wintermonate auch nicht gerade guten Windprognosen trieben das Stimmungsbarometer auch nicht wirklich nach oben.

Es wurde Zeit für Plan B. Ein Formula Windsurfing Board mit passendem Segel sollte das Surftagekonto deutlich steigern.

Nachdem ich im Winter genügend Zeit zum Grübeln hatte und der realen, durch meinen Wohnort bedingten Windsituation ins Auge schaute, entschied ich mich, mich mit geeignetem Equipment auszurüsten.

Da meine ersten Windsurferfahrungen auf einem Formulabrett mit einem 4.7er Segel stattfanden, hatte ich eigentlich ein gutes Gefühl. Allerdings würden die rund viereinhalb Quadratmeter jetzt nicht mehr reichen... aus diesem Segel würde vielleicht gerade mal eine Abdeckplane für das Board rauskommen.

Seit diesen Anfangstagen verfolgt mich auch der Begriff „Klotür“. Als ich damals mit meinem Gerödel am See ankam, meinte ein etwas in die Jahre gekommener Surfer noch lapidar zu mir: „Was willst du denn mit der Klortür hier?“

Ich begann im Netz nach relativ aktuellem Material zu suchen. Bei den Kleinanzeigen auf Daily Dose wurde ich fündig. So konnte ich im Januar Worldcupper Oliver-Tom Schliemann auf einem Parkplatz nahe Berlin abfangen und mir ein 11 Quadratmeter großes North Sails Warp sichern.
Surfen bei wenig Wind
Auch Mast, Gabel und Board waren zum Beginn des Frühsommers beschafft. Neben dem guten Material konnte ich mir im Netz viele Tipps und Hinweise holen. Das Warten auf Tag X dauerte nicht lange, Windfinder versprach 9 Knoten, in Böen 11.

Normalerweise wäre dies ein Tag, an dem die Arme vom vielen Pumpen auf dem Slalomboard müde sind und sich Spaß nicht wirklich einstellt. Die gute Grundlaune stellt sich beim Aufriggen sofort ein, eine ganze Wiese für mich, bei dieser Vorhersage verirrten sich nicht viele Surfer an den See.

So baute ich in aller Ruhe Board und Segel auf. Richtig eingefädelt lässt sich auch die Vorlieksspannung in ein 11m² Segel relativ locker mit einem Trimmgriff ziehen. Das hätte ich nicht gedacht.

Zur Sicherheit ging ich an diesem Tag etwas weiter ins Wasser, um ein Aufsetzen der Finne nicht zu riskieren. Eine Zwangsbremsung mit einem 70er Stachel stellte ich mir extrem unangenehm vor. Ich hörte da auch mal Geschichten, wo große Fische gerammt wurden, aber vielleicht ist das auch Seemannsgarn gewesen.

Einen beherzter Beachstart später stand ich sicher auf dem Board. „Darauf könnte man wirklich Kaffee trinken“, dachte ich. Sekunden später wurden meine Gedankengänge abrupt beendet, eine erste Böe lies das Board sofort angleiten. Ein paar beherzte Pumpzüge und schon stand ich sicher in den Schlaufen und „zog erst einmal Höhe“, so wie ich vorher noch nie in meiner Surfkarriere „Höhe gezogen“ habe.

Motiviert von dem ganzen Input aus dem Netz versuchte ich meinen Haussee hoch zu kreuzen, um dann Downwind zurück zum Ausgangspunkt zu kommen.

In der Theorie sicher wesentlich einfacher als auf dem Wasser. Nach drei Stunden Surfen wird ein „abgesoffenes“ 11er Segel mit vollgelaufener Masttasche schon einmal zum persönlichen „Waterloo“.

Auf Halbwind fühlt sich das Segel gar nicht so groß an, ist es aber erstmal abgetaucht, überlegt man sich seine Schotstarttechnik schon gründlicher.

So endete einer meiner schönsten Surftage nach etlichen Stunden mmit dem Zustand „fix und fertig“. Ich hatte den See für mich und einen Surftag, den ich sicher sonst nicht abgegriffen hätte. Dazu eine Menge Input und Motivation für kommende Versuche!

Wollt ihr das Formulasurfen einmal probieren, stellt euch einfach mal zu Hause auf die Waschmaschine. Ich glaube dass beschreibt das Gefühl auf dem Board in Gleitfahrt extrem gut.

Was kostet der Spaß?
Hier ist meine Gebrauchtmaterialrechnung:
Für Segel mit Haustürservice, Mast aus Österreich, Gabel aus der Ecke und Board aus Augsburg waren es am Ende 1.500 Euro. Sicher eine stolze Summe, aber für ein 2011er Komplettrigg und ein 2007er Starboard mit Hurricanefinne fair. Extra Surftage sind dann gratis.