Windsurfer LT

Immer gut gelaunt

Der Windsurfer LT ist die brettgewordenen Reinkarnation des überaus gut gelaunten Bären Balou aus dem Dschungelbuch. Immer zu einem Tänzchen aufgelegt zeigt er: Eine Konzentration auf die "bare necessities" (das grundlegend Nötige) kann glücklich machen. Wir haben den Windsurfer mit modernen Riggs gefahren.

Windsurfen ist ein Sport mit sehr vielen schönen Facetten. Material gibt es fein abgestuft für nahezu alle Bedingungen, Vorlieben und Könnensstufen. Warum also wird ein langes Board mit mit neuem Shape, Schwert und Retro-Namen auf den Markt gebracht? Gibt es nicht schon alles, was wir brauchen?

Machen wir einen Sprung ins Binnenland: Ein typischer Binnensee, umstanden von Bäumen, deren Kronen sich im Wind biegen. Eine Front zieht durch und eine Hand voll Windsurfer ist auf dem Wasser. Boards um die 100 - 130 Liter sind zu sehen, die Segelgrößen sind bunt gemischt.

Und alle stehen.

Dann zieht eine Bö durch, ein paar der Großsegler werden per Schleudersturz gefällt, die meisten gleiten flink an, hier und da sieht man einen Freestyle-Move oder eine Halse. Nach 15 Sekunden ist der Spuk vorbei. Die Bö ist durch und dann wird dümpelnd auf den nächsten Windschub gewartet. Und dabei versuchen alle mehr oder weniger verkrampft, nicht zu viel Höhe zu verlieren.

Getreu dem Motto "Das Windsurfen beginnt erst, wenn geglitten wird", wird an Land resigniert über die Bedingungen geredet. Wirklich happy sind die wenigsten.

Das Gefühl kennen sicher viele. Was wäre also, wenn man solche Spots - und davon gibt es Umengen in Europa - mit der unbändigen Freude von Balou aus dem Dschungelbuch erleben könnte. Wer sich in Stimmung bringen möchte: www.youtube.com/watch?v=c6e3ITsjLRI

Windsurfer LT Fahrbericht

Auftritt Windsurfer LT. Balou ist gut gelaunt. Geradezu beschwingt fährt das Board auch bei wenig Wind, leichtfüßig, lässt sich prima trimmen und mit ausgeklapptem Schwert lässt sich auch bei marginalen Bedingungen viel Druck aufbauen. Gleitgrenze war gestern. Das Board fährt quasi im Variogleiten. On-Off gibt es nicht. Keine Fußschlaufe ist der optimalen Standposition im Weg.

Während die Freeride- und Freestyle-Shortboards dümpeln, zieht der Windsurfer LT in vergleichsweise absurdem Winkel Höhe und freut sich auf die nächste Bö. Dabei ist er auch deutlich schneller unterwegs, als ein Shortboard unterhalb der Gleitschwelle. "Forget about your worries and your strife...", summt Balou. Wenn die Bö kommt, beschleunigt das Board kontinuierlich, weil es keine klare Gleitgrenze hat.

Das Deck hat extrem viel Grip. Der Segeldruck kann problemlos auf das Board gebracht werden. Die Fußschlaufen fehlen überhaupt nicht, im Gegenteil, es fühlt sich an, wie Wellenreiten auf einem riesigen Longboard.

Schnell wird klar, auf diesem Board können Anfänger zurecht kommen, aber unter den Füßen von guten Surfern kann das Teil mehr, als man ihm zutraut.

Windsurfer LT

Durchgeglittene Halsen sind kein Problem. Duck Jibe gefällig? Na klar, die werden mit einem Kichern absolviert, denn Balou braucht einen ziemlich großen Radius, auf dem er unbeirrt aber mit fröhlich hüpfenden Fettröllchen seinen Weg zieht. Fast möchte man ein Schiffshorn montieren, das den Weg frei hupt. Dabei bleibt das Board auch in voller Gleitfahrt bei leichter Kabbelwelle sehr gut zu kontrollieren. Wieso macht es so viel Spaß mit so einem Dickschiff durch die Halse zu dampfen?

Natürlich ist so ein großes Board - na ja - ein großes Board. 15 Kilo wiegt das 3,65 Meter lange Brett mit 74 cm Breite und benötigt bei viel Wind an Land vollen Körpereinsatz, um beim Tragen nicht verblasen zu werden. Zwar wogen die alten Boards in den Achtzigern noch erheblich mehr, aber Balou bleibt Balou, auch nach einer Diät.

Dafür ist der Windsurfer LT zu (fast) allen Späßen bereit:

  • Stand Up Paddeln? Kein Problem, Balou got you covered.
  • Kleine Wellen abreiten? Check.
  • Windsurfen lernen? Klar, Balou ist ein geduldiger Lehrer.
  • Speedfahren bei über 20 Knoten Wind? Äh, really? Na gut, auch das kann er, aber ab 20 Knoten Rumpfgeschwindigkeit fangen die Anbauteile an zu pfeifen und Wasser spritzt aus dem Schwertkasten, was im Fahrbetrieb aber nicht stört. Man könnte die Finne gegen ein hochwertigeres Modell auswechseln, aber dann hört auch niemand mehr, wenn Balou von hinten anrauscht. (Ist ernsthaft vorgekommen. Einem Slalomboard mit weniger gutem Piloten kann ein Windsurfer LT mit einem guten Jockey schon mal nahe kommen.)
  • Regatta? Ja klar, die Windsurfer Klasse hat regen Zulauf. Die Startfelder sind riesig. Dann muss man sich aber auch mit dem Einheitsrigg und dem Regattaschwert anfreunden. Und bei dem Tuch sind wir uns nicht so sicher...
  • Tourensurfen? Na klar, Balou säuft auch bei plötzlicher Flaute nicht ab und bringt dich dahin, wo du hin willst.

Der Windsurfer LT ist wie ein guter Freund, auf den man sich immer verlassen kann, der immer gut drauf ist und der auch bei eigentlich schlechten Bedingungen gute Laune macht. Er macht einfach das beste draus und lädt nicht zum jammern, sondern zu einem Tänzchen ein. Man kann mit dem Board schlicht dann Windsurfen (oder SUPen), wenn man Zeit und Lust und nicht nur, wenn der Wind und die Bedingungen es diktieren. Nur wirkliche Extreme mag er nicht, aber dafür gibt es dann auch hochspezialisiertes Material welches genau dann Spaß macht.

Der Windsurfer LT wird von vielen Marken mit gleichem Shape aber jeweils etwas anderem Print angeboten und ist recht günstig ab etwa 1299 Euro Straßenpreis mit dem kleineren Schwert zu haben. Das ist gemessen an dem was er kann ein Schnäppchen. Mit Regattaschwert kostet er etwas mehr. Aber Achtung: Auch wenn das Regattaschwert mehr Leistung rauskitzeln kann, so ragt es über das Deck hinaus und man hat dann nicht mehr die Freiheit, die Füße wirklich überall hin zu setzen. Und gerade das macht nämlich viel des Fahrgefühls aus. Man kann den Windsurfer LT allerdings recht einfach von der einen in die andere Version umbauen.

Und noch ein Gedanke zum Schluss: Der VDWS gibt jedes Jahr rund 30.000 (dreißigtausend!) neue Windsurf-Grundscheine aus. Wie viele von denen schmeißen hin? Viele Menschen können nur dann surfen, wenn sie Zeit haben und da ist es absolut falsch Boards mit Schwert den "Anfänger"-Stempel aufzudrücken. Ein SUP mit Segel, aber ohne Schwert, wie sie jetzt vielfach angeboten werden, taugt bei wenig Wind kaum zum Höhelaufen und gerade darauf kommt es aber bei marginalen Bedingungen an.

Der Entwickler des Boards, Bruce Wylie, wurde in seiner aktiven Regatta-Zeit Weltmeister und Olympiasieger. Jetzt ist er Chef der Windsurfsparte beim Hersteller Cobra, also wahrlich kein Anfänger. Mit dem Windsurfer LT ist ihm ein sehr gute Kombination aus vielseitigem Spaßbrett und Racer gelungen.

06.07.2020 © DAILY DOSE  |  Text: Christian Tillmanns  |  Fotos/Grafiken: Christian Tillmanns