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Es ist 6:30 Uhr morgens und ich werde wie so häufig von meinem “natürlichen” Wecker wachgerüttelt. Die Trade Winds zerren an den alten Holzschiebefenstern meiner kleinen Behausung. Der Blick nach draußen verspricht Gutes für heute - soweit das Auge reicht blitzen Schaumkronen in der Morgensonne, die gerade hinter dem Koko Head hervorlugt. Meine Arme sind noch etwas lang von der gestrigen Abend-Session in Toes. Langsam klettere ich aus meinem Hochbett und schalte das Radio ein, “Aloha, this is another great day in Hawaii”, tönt es prompt aus den Lautsprechern – sieht in der Tat ganz danach aus, denke ich mir.

Meine Unterkunft ist ein uriges kleines Studio, oder besser gesagt eine “kleine Höhle”, mit separatem Badezimmer. Ich bin mir nicht ganz sicher ob man so etwas zuhause in Köln ueberhaupt vermieten koennte, aber das hier ist nicht Köln, sondern der Black Point auf Oahu, Hawaii. Der Black Point ragt wie eine felsige Nase gleich neben dem Diamond Head in den Pazifik und ist ohne Zweifel eine ziemlich exklusive Wohngegend - zwei Meter vor meinem Fenster rollen die Wellen des Pazifik in allen nur denkbaren Blautönen ans Ufer.

Es geht weiter mit meinem üblichen Morgengang, Zähne putzen in meinem kleinen Badezimmer am anderen Ende des Hauses und anschliessend den Fischteich inklusive Wasserfall von meiner Vermieterin sauber machen.


 

Meine Vermieterin, in den Mitsiebzigern, besitzt und bewohnt ein riesiges altes Holzhaus aus den zwanziger Jahren und wohnte darin ganz alleine bis ich vor kurzem in das separate Studio eingezogen bin. Sie ist happy, dass ich ein paar Hausmeister-Tätigkeiten übernehme und ich freue mich über eine günstige Miete in einer eigentlich unbezahlbaren Wohngegend direkt am Meer – eine perfekte Symbiose!

Danach heisst es schnell ein Müsli einfahren bevor es ins Labor an die Arbeit geht. Seit einem Jahr mache ich meine Doktorarbeit in Molekularer Zellbiologie an der University of Hawaii in Honolulu auf Oahu - für Windsurfer und Wellenreiter sicher einer der Traumplätze zum Promovieren auf dieser Welt. Hier plant man seine Experimente nicht nach der Uhr, sondern nach Wind und Wellen. Ich bin nicht der einzige Surfbegeisterte, den es hierhin verschlagen hat. Eine bunte Mischung aus europäischen Doktoranden tummelt sich hier an der Uni, vorwiegend im Dunstkreis der Ozeanographie. Wenn die Trade Winds wehen hat man als Doktorand in der Regel zwei Strategien zur Auswahl, um die tägliche Dosis Wind und Wellen zu bekommen. Entweder die Experimente so planen, dass man über Mittag eine längere Inkubationszeit hat und eine “Lunch-Session” am Diamond Head einlegen kann. Oder alternativ alle Experimente bis um fünf Uhr nachmittags fertig haben und anschliessend in Toes Wellen schlitzen bis in den Sonnenuntergang.


 

Nach einem kurzen Check mit ein paar Surf-Buddies entscheiden wir uns heute wieder fuer die “Abend-Session” in Toes. Im Gegensatz zum Diamond Head hat Toes den arbeitnehmerfreundlichen Vorteil, dass es dort auch abends meist noch guten Wind hat. So sitze ich um kurz nach fünf in meinem alten 83er Ford Crown Victoria und cruise Richtung Hawaii-Kai. Toes liegt am östlichen Stadtrand von Honolulu und ist “der” Windsurfspot zum Wellenabreiten an der Südküste von Oahu. An guten Tagen kann man auf der Linkswelle genug Turns fahren, um schon nach der ersten Welle dicke Unterarme zu bekommen. Als ich in Toes ankomme, sind meine Kumpels Thomas, Kolja und Volker schon beim aufriggen.

Nach einem kurzen Blick auf die kopfhohen Wellen am Riff, baue auch ich mein 5,3er auf und sehe zu, dass ich aufs Wasser komme. Toes hat für mich immer eine ganz besondere Atmosphäre. Abgesehen von den Sahne-Wellen liegt das Riff im Vergleich zum Diamond Head etwas weiter draussen und so hat man hier fast das Gefuehl, mitten auf dem Ozean zu sein. Hinzu kommt der imposante Ausblick auf die Ausläufer der “Koolau Range”, deren Bergrücken hier bis an die Küste heranreichen. Heute ist wirklich ein guter Tag, sogar beim Rausfahren ist man fast immer im Gleiten und kann springen - auf Oahu nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit.


 

Thomas und ich reiten einige gute Wellen zusammen ab und johlen uns vor lauter Gaudi die Kehle aus dem Leib - jeder ist heute mit einem “Big Smile” auf dem Wasser unterwegs. Als wir mit dem letzten Licht der Abenddämmerung vom Wasser kommen, zaubert Thomas ein Six-Pack Bier aus der Kühlbox in seinem Auto und so lassen wir vor dem Abriggen die Eindrücke des Tages erstmal bei einem kühlen Gerstensaft sacken.

Auf Hawaii zu leben ist ganz sicher ein Traum, wenn auch etwas anders als es das Hula-Image in den Reisekatalogen zuhause häufig vermittelt. Meine Forschungsarbeiten im Labor sind hier genauso ein full-time Job wie in Deutschland auch, allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass ich hier noch eine Surf-Session in den Arbeits-Alltag einschieben kann, wenn ich morgens etwas früher im Labor anfange und abends etwas länger bleibe.

Die Freizeit kann hier jeder am und im Meer verbringen, und bei den Temperaturen ganz gleich ob Sommer oder Winter.

 


 

Abseits vom Massentourismus in Waikiki verspühen besonders die öffentlichen Beach Parks eine lebendige und sehr willkommene Atmosphäre. Viele einheimische Grossfamilien, von der Enkel- bis zur Grosselterngeneration, verbringen hier an den Wochenenden den ganzen Tag mit Surfen, Angeln, Grillen...
Ausserdem bietet Honolulu fast alles, was man mit einer Grossstadt verbindet – inklusive aller Vor-und Nachteile. Nicht zuletzt diese Nähe von urbanem Flair und den Wellen des Pazifiks machen fuer mich den Reiz dieses Fleckchens Erde aus.

Auch wenn meine Zeit auf Oahu nur begrenzt ist, und ich die Kölner Domglocken in der Ferne schon ab und zu läuten hören kann, im Moment könnte ich mir kein anderes Leben vorstellen. Je nachdem wie sich mein Promotionsprojekt und die Visa-Bestimmungen entwickeln, darf ich die nächsten zwei Jahre noch hier verweilen, und das ganz sicher mit so vielen “Ozean-Experimenten” am Diamond Head oder in Toes wie möglich.

 

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