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Oahu
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Nach der Fussball-WM nahm der Sommer auf Oahu zunächst seinen gewohnten Lauf. In regelmässigen Abständen machte sich ein Swell von Neuseeland auf den Weg um den Trade Winds vor Hawaii Gesellschaft zu leisten, und uns eine nette Spielwiese zu bereiten. Die typische Oahu-Segelgrösse (5,3 qm) war meistens die passende Wahl um die Wellen auf den Riffs am Diamond Head und Umgebung zu schlitzen. Aus Europa trudelten die üblichen bekannten Gesichter ein, darunter zu meiner freudigen Überraschung auch ein alter Bekannter aus Holland, den ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte.

Ich kam eines Tages von der Arbeit aus dem Labor zur “Sunset Session” und war gerade dabei aufzuriggen, als mir im Augenwinkel eine Gestalt irgendwie bekannt vorkam. Beim zweiten Hingucken war glasklar, der Typ mit der drahtig, muskulösen Statur und dem freundlich-verschmitzten Grinsen kann nur Mark van der Haave aus Ouddorp sein. Als sich unsere Blicke kreuzen, sieht jeder für einen Moment beim Anderen die Überraschung ins Gesicht geschrieben, und wir müssen beide lachen, als wir uns begrüssen. Kein Wunder, schliesslich haben wir uns seit Jahren nicht mehr gesehen. Als ich in den 90ern viel an der holländischen Küste unterwegs war, konnte man sich an guten Tagen immer sicher sein, Mark irgendwo in den Wellen vor Ouddorp zu treffen. Mittlerweile ist Mark 47 Jahre alt, aber auf seinen katzenhaften Stil in der Welle hat das erstaunlicherweise bisher keine Auswirkungen gehabt.

In den nachfolgenden Wochen waren wir einige Male nur zu zweit auf dem Wasser und „The Flying Dutchman“ verblüffte mich immer wieder mit seinen Backloops und Gu-Screws, die er häufig wie aus dem Nichts zaubern kann. Mark’s Lebensstil hat sich ebensowenig verändert; heute wie damals ist alles auf seine grosse Leidenschaft, das Windsurfen ausgerichtet. So ist er sich nicht zu schade auch bei diesem Aufenthalt die kompletten zwei Monate in seinem alten Ford-Van zu wohnen, den er gleich nach seiner Ankunft günstig erstanden hatte. Anfangs erzählte er mir, dass er diesen Sommer ursprünglich nach Indonesien wollte, und Oahu quasi nur eine “Notlösung” war, aber am Ende hatte ihm sein zweiter Hawaii-Aufenthalt nach 1995 dann doch so gut gefallen, dass er nächstes Jahr im Frühjahr wieder für ein paar Monate vorbeischaut – see ya mate.

 

Ein andere Geschichte, die uns fast den ganzen Sommer lang Gaudi bereitet hat, begann irgendwann nach ein paar Bierchen bei einem unserer abendlichen Barbecues im Beach Park. Mein Kumpel Mitch, ein hawaiianisches Urgestein und Tech-Freak, hatte letztes Jahr Spass daran gefunden, am Diamond Head Windsurf- und Surf-Action jeglicher Art mit seiner neuen Kamera abzulichten. Dabei sass er vorzugsweise am Lookout mit einem riesigen Tele-Objektiv bewaffnet auf der Ladefläche von seinem Pick-up Truck. An jenem Barbecue-Tag hatte er auch in Toes mal wieder ein paar Bilder geschossen, aber das Riff ist selbst für ein gutes Tele einfach zu weit weg vom Ufer, um qualitativ gute Bilder zu bekommen.

Das hatte ihn als geborenen Perfektionisten so sehr gewurmt, dass nach dem ersten Bier sein Ehrgeiz geweckt war eine adequate Lösung zu finden. Ich meinte zu ihm, für gute Fotos in Toes müsste man ins Wasser, da führe kein Weg dran vorbei. Der Gedanke schmeckte ihm allerdings nicht so richtig, denn obwohl waschechter Hawaiianer, ist Mitch nicht unbedingt eine Wasserratte wie man vielleicht annehmen würde. Ein Bier später hatte er aber schon einen Ausweg gefunden, bei dem er nicht im sondern auf dem Wasser wäre; „dann müssten wir eben ein Gerüst am Riff ins Wasser stellen, von dem er aus fotografieren kann“. Als ich ihm erkläre, dass vor ihm schon andere diese Idee gehabt haben, aber die Realisierung meist mehr schlecht als recht funktioniert hat, zeigt er sich wenig beeindruckt.

Die erste Herausforderung besteht bereits darin ein passendes Gerüst erstmal zum Riff rauszutransportieren, zusätzlich müsste es noch stabil sein und man könnte so ein Ungetüm schlecht wochenlang draussen am Riff stehen lassen. Sein lapidarer Kommentar war, dann hätte bisher eben noch keiner die Sache richtig angepackt. Ich zucke nur mit den Schultern, denn Mitch hat manchmal seine eigenen Ansichten und in solchen Fällen macht es normalerweise wenig Sinn mit ihm darüber zu diskutieren. Der Abend nahm seinen feucht-fröhlichen Lauf, und die Sache war für mich erstmal abgehakt.


 

Zwei Wochen später klingelt mein Handy, am anderen Ende der Leitung ertönt Mitch’s Stimme in breitem hawaiianischen Slang „Hey Brah, we meet ya tomorrow around noon at Thomas’ place, we gotta pick up some stuff at the harbour“. Auf Nachfrage kann ich ihm nur aus der Nase ziehen, dass er im Hafen passendes Material für besagtes Gerüst gefunden hätte, aber wir könnten den Kram nur sonntags „abholen“. Aha denke ich mir im Stillen, das hört sich ja im günstigsten Falle semi-legal an, aber ich glaube mein Visum ist mir für solche Spielereien zu kostbar – ich weiss von Fällen, wo Leute für harmlosere Sachen als „ungefragt ausgeliehen“ ausgewiesen worden sind. Zwei Sekunden später habe ich allerdings zu meinem eigenen Erstaunen doch zugesagt.
Thomas, belgischer Womanizer mit Spitznamen „Martini-Thomas“ und windsurfender Doktorand in der physikalischen Ozeanographie, ist ein guter Freund von Mitch und einer meiner besten Surf-Kumpels.

Als ich am nächsten Tag bei ihm eintreffe, warten die beiden schon auf mich und wir machen uns sofort in Mitch’s Pick-up Truck auf den Weg. Als wir an Ort und Stelle ankommen bin ich erleichtert, denn wie sich schnell herausstellt sind wir in dem abgesperrten Teil des Hafens wo das Ozeanographie Department von der Uni seine Forschungsschiffe liegen hat. Mitch ist Technician in der Ozeanographie und verbringt auf dem Gelände hier viel Zeit um Container mit Forschungsequipment für Ausfahrten vorzubereiten – unsere Aktion scheint also zu meiner Erleichterung doch legal zu sein.

Thomas hat wie ich keine Ahnung, was Mitch genau vorhat und so staunen wir beide nicht schlecht als langsam klar wird was er wieder ausgetüftelt hat. Nach einer kleinen Irrfahrt durch das Container-Labyrinth, hält Mitch zielsicher vor einem besonders verrosteten Exemplar an. Wie sich schnell herausstellt ist der Inhalt aber alles andere als rostig, der Container ist bis obenhin randvoll mit Aluminium-Gerüsten gefüllt, wie sie auch für Baustellen auf Bohrinseln benutzt werden.


 


Mitch erzählt uns, dass die Gerüste seit Jahren unangetastet dort vor sich hingammeln. Wir ziehen eine solche Einheit aus dem Container heraus und Mitch demonstriert uns wie einfach das ganze per Hand zusammengesteckt und aufgestellt werden kann. Ganz in seinem Element erklärt er uns nun seinen Plan. Wir bräuchten zwei Gerüst-Einheiten aufeinander um auch bei Flut noch einige Meter über der Wasseroberfläche zu sein. Damit die „Foto-Plattform“ auch stabil im Wasser steht, werden die Füsse jeweils mit einem einzelnen Glied von einer riesigen Stahl-Ankerkette beschwert, die Mitch „weiss der Geier wie“ in irgendeinem anderen Container aufgestöbert hatte. Der Clou an der ganzen Sache ist, einmal an Ort und Stelle aufgebaut, können wir das Gerüst einfach nach jeder Foto-Session zusammenfalten und bis zum nächsten Mal versenken – lediglich durch eine kleine Boje auf der Wasseroberfläche markiert.

Thomas und ich sind sprachlos, fragt sich nur noch wie transportieren wir das Gerüst zum Riff? Denn obwohl relativ leicht und zusammenklappbar, wäre es unmöglich das kleine Monster einfach rauszutragen. Mitch scheint für alles eine Antwort parat zu haben: „No worries brah, we just put it on my kayak; but let’s get the stuff out of here first“ - gesagt, getan. Am nachfolgenden Wochenende treffen wir uns mit Sack und Pack im Beach Park von Toes, wo sich prompt noch ein paar helfende Hände der restlichen Windsurf-Crew dazugesellten. Da ich das Riff von Toes nach unzähligen Sessions inzwischen wie meine Westentasche kenne, habe ich auch schon einen geeigneten Ort für unsere kleine Foto-Plattform im Visier. An der Riffinnenseite gibt es gleich hinter einem sehr flachen Abschnitt eine je nach Gezeiten hüft- bis schultertiefe Stelle mit felsigem Untergrund, die lediglich von ein bisschen Sand bedeckt ist. Ein perfektes Plätzchen, weil stabiler Untergrund in relativ ruhigem Wasser und ausserdem umweltfreundlich, da wir nicht in die Nähe der Korallenstöcke auf dem Riff geraten. Schnell wird das zusammengklappte Gerüst auf das Kajak gehievt und mit ein paar Spanngurten festgezurrt.


 

Eigentlich wollten wir das Kajak zu Fuss rausziehen, aber Volker schnappt sich seinen Windsurfkram und vertäut das Kayak an der hinteren Fussschlaufe von seinem Board, Mitch sitzt schon abfahrbereit wie ein Pascha auf der festgezurrten Plattform, als eine Bö kommt und sich das Ganze in Bewegung setzt. Gerade noch rechtzeitig kann ich meinen Wellenreiter mit der Leash an einer Strebe vom Gerüst befestigen und springe quasi in letzter Minute auf den „fahrenden Zug“. Nach wenigen Metern ging die Gaudi richtig los, als wir in ein Böenfeld mit satten 20 Knoten kommen und Volker tatsächlich ins Gleiten kommt, trotz Kayak + Gerüst + Mitch und mir auf dem Wellenreiter im Schlepptau. Während Volker Schwerstarbeit leistet, fallen Mitch und ich vor Lachen fast von „Board“.

Das Auf- und Abbauen der Plattform im Wasser entpuppte sich als genauso einfach wie Mitch es prophezeit hatte, und an den folgenden Wochenenden sass er häufig auf seinem neuen Thron um unsere Manöver und Abgänge - die fotografiert er am liebsten...seine dreckige Lache hörte man häufig über das ganze Riff schallen - in den Wellen vor Toes festzuhalten. Ich weiss noch genau als ich selber das erste Mal auf die Plattform geklettert bin und den Ausblick genossen habe, eine coole Perspektive von dieser erhöhten Position aus auf die brechenden Wellen am Riff zu schauen.

Der Sommer ist inzwischen vorüber und der europäische Tross schon lange abgereist. Seit Anfang Oktober haben sich auch die Trade Winds deutlich rarer gemacht, dafür wurden die Breaks am North Shore bereits von den ersten grossen Winterswells wachgeküsst und ziehen wie jedes Jahr Scharen von Wellenreit-Pilgern aus aller Welt in ihren Bann...

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