Vom Strand aus beobachtet,
sieht ein solcher gefährlicher Ritt nach einem schnellen, flüchtigen
Erlebnis aus. Im Wellenkessel erfährt man etwas völlig anderes,
wie Doerner beschreibt: "Die Zeit steht still. Du spürst und hörst
die Natur, wie sie um dich herum wirbelt, saugt und faucht, und
du bist mittendrin. Im völligen Einklang mit allem." Die Motivation,
im Ernstfall sein Leben für einen kurzen Moment der Ekstase zu
opfern, ist für viele kaum nachvollziehbar.
Der 69 Jahre alte Surfveteran George Downing erklärt den Antrieb
folgendermaßen: "Ich suchte die Einsamkeit in großen Wellen. Man
erfährt mehr über die Welle und sich selbst, wenn man ganz allein
dort draußen ist". Einer wie Doerner wurde auf Hawai geboren und
surfte, bevor er laufen konnte. Der Lebensretter und Profisurfer
zählt zu jener Elite von sogenannten Wassermännern, die kompromisslos
ihr Leben nach den Wellen ausrichten. Ein Leben, das sich nur
um eines dreht: die spirituelle, mentale und physische Vorbereitung
auf dem Ritt in der Monsterwelle. Doerner beginnt im Sommer mit
dem Training. Schwimmt meilenweit im offenen Meer, um Ausdauer
zu trainieren. Taucht tief in Lavahöhlen hinab, um die Lungen
zu weiten. Ernährt sich bewusst und meditiert, um sich perfekt
auf die Extremsituation vorzubereiten.
Dann kommt der Winter und das Warten beginnt. Man wartet auf
den großen Sturm, der die geloben Wellen bringen soll. Doch der perfekte
"Swell" lässt oft auf sich warten. Erst müssen heftige Winterstürme
im Nordpazifik das Meer aufwühlen, bis sich der Kamm der Welle
in "Jaws" wie ein archaisches Monster aufbäumt. Es kämpft brüllend
gegen seinen unvermeidlichen Tod. Schnaubt, schreit und spukt,
bevor es mit unvorstellbarer Kraft zusammenbricht. Hawaiianer
haben in ihrer Sprache einen Ausdruck für diese Kraft.
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