Lanzarote Quemao Class 2023

Der Surf-Wettbewerb steht unter dem Slogan "die beste Tube Europas". Tom Brendt war vor Ort.

Winterzeit auf den Kanaren bedeutet, dass der stetig wehende Nordost Passat Wind sich für ein paar Monate gen Süden verabschiedet. Winterzeit bedeutet aber auch, dass mächtige Stürme auf dem Atlantik tanzen und dabei mächtige Wellen entstehen lassen. So auch in diesem Winter. Swells gab es bereits on masse.

Vor Lanzarote entladen sich die Wellen unter anderem an einem Riff direkt vor dem Örtchen La Santa im Nordwesten der Insel Lanzarote. Quemao heißt der Spot mit der schnellen Tube. Hier findet jährlich die Quemao Class statt, ein Surf-Wettbewerb, der in einem festgelegten Zeitfenster auf einen dieser Swells hofft.

Um das Event starten zu können, muß einfach alles passen. West-nordwestlicher Swell, gepaart mit südöstlichen Winden, wird benötigt. Der Wind entflieht ablandig vor La Santa aufs Meer und bügelt dabei eine ohnehin bereits fast perfekte Welle noch perfekter faltenfrei. Die Welle türmt sich dabei noch steiler auf, und formt am Ende eine perfekte Tube, in welche sich die ausgewählten Protagonisten stürzen dürfen.

Es geht um viel mehr als die einfache Jagd nach Punkten und den eventuellen Sieg. Jeder einzelne Teilnehmer, sei es mit Finnen unter dem Board oder Flossen an den Füßen, verdient sich den Respekt aller. Die Zuschauer folgen dem Treiben mit teils aufgerissen Mündern und ungläubigem Kopfschütteln.

Nach einer unbeständigen Wetterperiode kam im Dezember die erlösende Nachricht: Das Quemao Class wird stattfinden. Die idealen Bedingungen waren vorausgesagt und alle eingeladenen Teilnehmer haben ihr Kommen zugesagt.

Sobald sich diese Nachricht verbreitet, verändert sich etwas unter den Wassersportfreunden, nicht nur auf Lanzarote. Schließlich reisen Zuschauer von den gesamten Kanaren und dem europäischen Festland an, um dabei sein zu können. Es knistert. Es wird enthusiastisch aber auch ehrfurchtsvoll davon geredet, das ES wieder losgeht. Urlaubstage sind eingereicht, Geschäfte ändern ihre Öffnungszeiten oder suchen händeringend nach Vertretungen für diese zwei speziellen Tage.

Auch ich kontrolliere meine Fotoausrüstung mehrfach, gehe mit großer Vorfreude ins Bett und mache mich dann am frühen Morgen auf den Weg von der Ost- an die Westküste. Schon auf der Landstraße kann ich die berüchtigte „Right“ von La Santa bestaunen. Quemao kann man dann allerdings noch nicht sehen. Zu nah kracht die Welle direkt vor dem Örtchen auf das Lavariff.

Aber da die „Right“ bereits dafür sorgt, dass der ein oder andere Verkehrsteilnehmer leicht abgelenkt die Spur wechselt, ist eins bereits klar: Quemao wird groß. Kaum angekommen, wird deutlich, das dieses Event von Jahr zu Jahr enorm wächst. Konnte das Auto vor ein, zwei Jahren noch gemütlich am nördlichen Ortsausgang abgestellt werden, durfte ich dieses Mal gut 15 Minuten nach einem Parkplatz suchen.

Wie sich später herausstellen würde, waren die Zuschauer nicht umsonst gekommen. Quemao lieferte und zwar richtig. Und jeder einzelne Teilnehmer wollte dieser einzigartigen Welle wohl in nichts nachstehen.

Egal ob Lanzarote-Local, Profi-Bodyboarder oder Wellenreiter, Weltmeister oder Junior, alle lieferten an diesen beiden Tagen eine irre Show, stürzten sich Steilwände hinab, schossen durch unglaubliche Barrels, um unter tosendem Jubel mit explodierender Gischt ins freie geschossen zu werden.

Wer bei der Wellenauswahl nicht geduldig genug war oder nach dem Take Off die Kontrolle verlor, wurde umbarmherzig am Kragen des grellbunten Eventlycras gepackt und über die tosenden Wasserfälle aufs Riff geschickt.

Atemberaubend war das sowohl für die Zuschauer am Ufer als auch für die Rider, die eine Weile brauchen, bis der Wasserdruck ihnen das Auftauchen wieder ermöglichte.

Gestartet wurde bei – für Quemao Verhältnisse – ziemlich normalen Bedingungen. Mit auflaufendem Wasser wurden die Wellen immer größer. Weit draussen auf dem offenen Atlantik waren die großen Setwaves bereits zu erkennen.

Je größer die Wellen wurden, umso mehr stachen einzelne Teilnehmer heraus. Der US-amerikanische Big Wave Award Winner Mason Barnes schien sich mehr und mehr zu Hause zu fühlen. Der Baske Aritz Aranburu, bereits Gewinner eines Quemao Class und immer einer der Mitfavoriten auf den Sieg. Der Local Manuel Lezcano, der bei diesem Quemao Class bis ins Halbfinale für die längsten Tuberides stand.

Aber ein anderer stahl dann doch noch die Show: Der Franzose Joan Duru. Der Wellenreit-Profi sammelte die höchsten Punktwertungen und gewann das Event am Ende vor dem Franzosen Sam Piter, dem Portugiesen Joao Mendonça und Aritz Aranburu.

Im Halbfinale war es dennoch knapp für Duru geworden, denn der Local Makao Gomez, mit 15 Jahren der jüngste Teilnehmer im Feld, sorgte mit jeder einzelnen seiner Wellen für tosenden Jubel am Strand. Erst in aller letzter Minute und mit seiner letzten Welle nutzte Duru seine langjährige Contest Erfahrung und riss Gomez das Tickt zum Finaleinzug noch aus der Hand.

Bei den Bodyboardern, es wurden während des gesamten Events abwechselnd zwei Heats der Wellenreiter und zwei Heats der Bodyboarder ausgetragen, siegte der mehrfache Quemao-Class-Gewinner Amaury Lavernhe mit fast perfekten Heatscores von über 19 von 20 möglichen Punkten.

Aber auch der Lanzarote-Local Pablo Lecouey, welcher der Einzige war, der in der absolut brutalsten Sektion zu Airmanövern ansetzte und diese auch landete, der Franzose Ethan Capdeville, welcher auch aus den unmöglichsten Tubes wieder herausschoss und der von Gran Canaria stammende Willian Lujan und der extrem konstante Baske Alex Uranga überzeugten.

Es bleibt festzuhalten, daß diese merkwürdige Unruhe, die entsteht, sobald der Start für ein Quemao Class bekannt gegeben wird, ganz zu Recht besteht.

Es ist nicht nur diese unfassbare Welle vor La Santa, die Joan Duru als eine der Besten und kräftigsten auf unserem Planeten bezeichnete, es ist diese ganze Atmosphäre, welche in diesem kleinen Fischerdörfchen während des Events herrscht. Es ist Wettkampf, es herrscht Nervosität, es besteht aber auch eine extreme Freundlichkeit unter den Ridern, die diese Bedingungen genießen und den anderen diese perfekte Tube wirklich gönnen.

Viele der Fahrer fassten die Situation so zusammen: Eine Runde weiter zu kommen, bringt einen Rider zwar auch einen Schritt näher zum Finale, aber vor allem gibt es die Möglichkeit nochmals da raus zu gehen...