Antwort, 30.07.2009 08:23 von herrzitrone
Moin jungs,
powerhalse ist ja ein zentrales problem beim windsurfen und ich hab selber ewig rumgetüftelt und habs nie hinbekommen.
Irgendwann hatte ich die schnauze voll und hab mir einen rollsurfer gebaut und nach ner guten woche hab ich dann meine erste durchgeglittene gestanden. Ich kann das nur jedem empfehlen, weil die wiederholungsfrequenz auf einem rollsurfer viel höher ist und man somit an einem tag vielleicht 50-100 halsen schafft, statt, wie auf dem windsurfboard vielleicht 10 oder 20. hinzukommt, dass man mit dem rollsurfer nicht mit der segelsteuerung bescheißen kann, also entweder man steht das manöver oder muss absteigen.
Das ärgerliche bei den ganzen beschreibungen im netz und in den zeitungen ist, dass die angaben unvollständig sind und ich das manöver nie wirklich verstanden hab. Als konsequenz probiert man einfach nur rum und fliegt dauernd auf die fresse.
Ich probier an dieser stelle mal, eine möglichst umfangreiche beschreibung des manövers.
Vorab: gleithalsen gibt’s in allen variationen, jede geht ein bisschen anders und jeder wird sie auch anders machen, allerdings gibt’s ein paar wesentliche komponenten die bei allen gleithalsen gleich sind. Ich selber fahr sie halse komplett über die kante, in etwa so, wie einen bottom turn. Das hat den vorteil, dass man auch auf Am – Wind – kurs einleiten kann und trotzdem durchgleitet, weil man viel druck auf den mast und den vorderen fuß hat und so das brett komplett flach im wasser liegt
Problem nummer eins: körperhaltung.
Viele fangen an, die halse zu trainieren, obwohl sie noch nichtmal die richtige speedhaltung auf dem brett haben, d.h. keine körperspannung, arsch auf dem wasser und druck auf beiden fersen. Dadurch wird die luvkante ins wasser gedrückt, das brett wird nicht frei/schnell und sobald man sich aushängt, verliert man die kontrolle.
Lösung: arschbacken zusammenkneifen, bauchmuskeln anspannen, luvschulter rausdrehen, hüfte nach luv drehen, mast arm lang, vorderes bein gestreckt und die zehen nach oben, hinteres bein leicht angewinkelt und die ferse nach oben. Wenn man sich jetzt aushängt, verliert man keine kontrolle und keine geschwindigkeit weil körper, rigg und board eine einheit bilden.
Problem nummer zwei: kein lastwechsel bei der einleitung.
Bisher hab ich diesen tipp nirgendwo gelesen und dabei ist das enorm wichtig. Egal ob beim skifahren, snowboarden oder fahrrad fahren, man kann keine kurve dynamisch einleiten, ohne definierten lastwechsel. Beispiel fahrrad: wenn ihr eine linkskurve fahrt und dabei mal auf den lenker schaut, werdet ihr merken, dass ihr den lenker ein klein wenig nach rechts dreht, bevor ihr den körper nach links in die kurve lehnt und den lenker ebenfalls nach links nachzieht. Beim skifahren habt ihr den lastwechsel durch den stockeinsatz und den vorhergehenden turn.
Lastwechsel bedeutet, dass ihr erst druck auf der gegenseite der gewollten kurve aufbaut und diesem druck dann aktiv folgt und euch auf die andere seite ziehen lasst. Als beispiel nehmt ihr einen wakeboarder, der erstmal ankantet um druck aufzubauen, und dann dem druck beim absprung folgt. So kommt er viel höher, als wenn er das brett nur plan auf dem wasser hält und aus den beinen abspringt.
Beim windsurfen ist das wichtig, weil ihr nur so die leekante tief ins wasser gedrückt bekommt. Ohne lastwechsel bekommt ihr keine engen kurvenradien hin und das brett wird verspringen. Die meisten gehen zu zaghaft in die kurve, bzw. lehnen erstmal nur das rigg nach lee. So gibt’s niemals druck auf die kante.
Lösung:
Der lastwechsel bei der halse ist relativ kompliziert, weil man ihn nur mit dem rigg hinbekommt und nicht, wie beim snowboarden oder Rad fahren aus der zentrifugalkraft durch eine gegenbewegung. Zudem muss das körpergewicht von den beiden beinen auf den vorderen fuß und den mast und zusätzlich von luv nach lee. Wie´s genau funktioniert, lest ihr weiter unten in der zusammenfassung.
Problem nummer drei: segel nicht dichtgeholt
Entgegen der landläufigen meinung muss man das segel dichtholen, um den druck rauszubekommen und nicht, um den druck zu behalten und keinen speed zu verlieren.
Das problem bei der halse ist, dass man von einem fahrzustand in den anderen wechseln muss, d.h. von der gleitfahrt, in der das körpergewicht von segel und brett gleichermassen getragen wird, in die kurvenfahrt, in der man nur auf dem brett steht und der segeldruck eigentlich nur stört.
Man muss das segel soweit dichtholen, dass die strömung abreist und man das rigg komplett drucklos in der hand halten kann (wavesegel mit gutem ON-OFF helfen sehr beim üben), denn nur so kann man sein körpergewicht nach vorne und luv bringen ohne vom segel vornübergezogen zu werden
Macht man das nicht, hat man die standart „ich böller in die kurve wie schumacher und komm raus wie bauer fritzchen auf´m trecker“ halse: einleitung, segel offen, druck auf der hinteren hand, zum ausgleich den arsch raus und hinten drauftreten, bremsen und um die kurve rumverdrängern.
Lösung: gabel weiter hinten greifen und mit der vorderen hand ein paar zentimeter an der gabel nach hinten. Es soll sich so anfühlen, als hättet ihr zuviel druck auf der vorderen hand. Dann hinten ziehen und den mastarm in die kurve drücken. Denn nur hinten ziehen alleine reicht nicht. man kann auch an land ausprobieren, wie sich das anfühlt.
Problem nummer vier: Shiften und Fußwechsel.
Eigentlich ganz simpel, da gibt’s nix zu verstehen, das ist reine übungssache.
Tipp: beim shiften an den mast greifen (mach ich heut noch…nix boom to boom) und beim fußwechsel den vorderen fuß zuerst: fuß anheben, ferse nach innen drehen (O-beine), in der neuen position abstellen und dann erst den hinteren fuß bewegen. Das hilft, die schultern richtig zu drehen, den körper zu öffnen und nicht versehentlich irgendwo draufzutreten, wo man nicht drauftreten soll. Zieht man den hinteren fuß zuerst nach vorn, steht man total verkrampft auf dem brett und der körper ist total instabil.
Ob man zuerst shiftet und dann die füße umstellt, ist geschmackssache. Ich fahr solange switch, bis ich das segel auf der neuen seite in der hand halte. Vor allem auf kleinen brettern ist das einfacher.
Und nu: Halse schritt für schritt:
- segelhand nach hinten, masthand leicht nach hinten, aushängen und hintere fuß aus der schlaufe (bei waveboards kann man ihn auch drinlassen). Knie beugen
- körper nach hinten/luv lehnen und gewicht aufs hintere bein. Mit beiden !! armen das segel zum körper und nach hinten ziehen und gleichzeitig die schultern nach außen drehen.
An dieser stelle sollten die schultern quer zum brett stehen, beide arme sind nun angewinkelt.
Dreht ihr die schultern nicht nach außen, gibt’s beim lastwechsel nen fetten schleudersturz.
- lastwechsel: nun zuerst den oberkörper richtung bug neigen bis dass ihr mit dem kopf vorbei am mast nach lee schauen könnt, dann blitzschnell den mastarm durchstrecken. Das katapultiert euch nach vorne und lee und drückt die kante ins wasser. Ebenso lehnt ihr euch voll auf den mast, der vordere ellenbogen zeigt nach unten.
- kurvenfahrt: ihr werdet nun merken, dass das segel komplett den druck verliert und ihr somit auch nicht mehr den zug habt, den ihr braucht, um auf dem vorderen fuß zu stehen. Das gleicht ihr aus, indem ihr mit der masthand das segel parallel zum körper (segelarm bleibt angewinkelt) richtung bug verschiebt, je mehr ihr abfallt und gleichzeitig die schultern und hüften in die kurve (nicht in die gegenrichtung!!! Sonst tretet ihr instinktiv hinten drauf und das heck säuft ab) dreht. Dabei mit der hinteren hand immer schön dichthalten, niemals auffieren!!! Das segel bleibt bis zum shiften dicht. an dieser stelle passieren die meisten fehler: weil man das von der halse in verdrängerfahrt so gewohnt ist, dreht man die hüften und schultern richtung bug, verlagert das gewicht aufs hintere bein, macht das segel auf und versucht, mit segelsteuerung das brett um die kurve zu drücken. dadurch bremst man voll ein und kommt aus dem gleiten. also: hüfte und schultern immer schön richtung kurvenmitte, segel dichthalten und den geringer werdenden zug nach vorne ausgleichen, indem ihr das segel parallel zum körper richtung bug zieht.
Wenn ihrs richtig macht berühren sich die knie und es sieht aus, als hättet ihr X – beine.
- shiften: das shiften kommt automatisch und zwar zu dem zeitpunkt, an dem der schultergürtel und der mastarm eine gerade bilden. Dann braucht ihr nur noch an den mast zu greifen und diesen zum schultergürtel zu ziehen und die hintere hand loszulassen. Geht ganz von alleine, vorausgesetzt der körper steht immer noch schön parallel zur längsachse des boards.
Und jetz der obertip: der kopf schaut immer zum kurvenausgang. Zu keiner zeit dürft ihr das segel anschauen, vor allem nicht beim shiften!! wenn ihr einen blick aufs segel werft, dreht ihr automatisch den kopf und somit den ganzen körper richtung bug-->einbremsen, nicht durchgleiten.
Und weils vielleicht noch ein paar videos braucht:
http://www.youtube.com/watch?v=murTmvbr0H0&feature=fvw
die einleitung und den lastwechsel ist hier wunderbar gezeigt ab 0:36
statt wave 360 stellt euch ein einfaches segelshiften vor. Ihr könnt sehen, wie krass JP das segel nach hinten zieht und den oberkörper nach vorne neigt. Der lastwechsel kommt durch explosives strecken des mastarms.
Btw: das ist eine halse ohne körperspannung lastwechsel und ohne dichtholen:
http://www.youtube.com/watch?v=Ia0I8GxgEBQ&feature=related
ihr könnt auch wunderbar sehen, wie der typ ab der einleitung immer auf sein rigg glotzt, statt in die kurvenmitte. dadurch verkorkst er seine komplette körperhaltung
Wie schon gesagt ist es ein enormer vorteil, sich einen rollsurfer zu bauen, vor allem für die, die nicht so oft aufs wasser kommen und schon jahrelang üben. Es reichen 2 bft und wenn man fleißig ist, schafft man das manöver nach ein bis zwei wochen.