Antwort, 27.01.2007 17:53 von olli1111
Tach zusammen!
Ich gebe Dir, Jan, in so ziemlich allem Recht. Nur mit diesem einen Satz habe ich meine Probleme:
"Alles nur weil die Kunden die Preise so stark drücken."
Die Kunden drücken niemals die Preise. Das kann nur der eine Händler, der dem Kunden entgegenkommt und so die anderen Händler dazu zwingt, ihre Preise anzupassen.
Auf dem deutschen Markt gibt es auch heute noch ausländische Hersteller, die Vorjahresprodukte der Händler zurücknehmen und sie lieber in anderen Ländern billig verticken. So verkaufen sie zwar hier weniger, halten dafür aber ihren Preis stabil.
Die Schuld an der Misere hatten bestimmte Händler, das weißt Du so gut wie viele andere auch, die ihre Lager brechend voll hatten und dann anfingen die Vorjahresmodelle oder noch ältere Ladenhüter zu Dumpingpreisen auf den Markt zu werfen (und später trotzdem pleite gingen). Man kann wohl kaum einem Kunden vorwerfen, da zuzugreifen :) Das Phänomen gab es jedenfalls lange bevor der onlinehandel brummte. Daraus wurde der 'Messetrend' alles zu verschleudern (gegen den Willen vieler Surfshopbetreiber, die teilweise selbst auf den Messen waren) und hat selbst diese Botschafterplattform für den Sport zu Grunde gerichtet. Habe ich mir in Mitte der 80er und 90er immer die Augen auf der Boot wundgeheult, weil ich mir die superschönen und modernen Hitechklamotten nicht leisten konnte, wurde das ganze später immer mehr zu einer Lachveranstaltung.
Ein weiteres Kernproblem sehe ich aber an anderer Stelle. Es gibt kaum einen Sport auf der Welt, der so innovative und vielseitige Athleten hervorbringt, wie das Windsurfen - eigentlich ein Parade- und Vorzeigesport. Die Hersteller backen aber seit ewigen Zeiten ihre eigenen Brötchen und arbeiten damit gegen sich und ihre eigene Branche. Warum gibt es denn nach all den Jahrzehnten immer noch keine echten Standards? Wieso haben/hatten bestimmte Hersteller eigene Mastfuß- und Finnenkastensysteme? Warum kann man sich für Einsteiger und Gelegenheitsfahrer in den Abmessungen der Segel nicht auf bestimmte Vorliekslängen- und Achterliekslängenbereiche einigen. Der _Einsteiger_ käme mit viel weniger Geld aus und der Sport würde deutlich attraktiver (für ambitionierte kann das Standardprogramm ja weiterverkauft und entwickelt werden, mit mehr Zulauf natürlich auch größere Mengen) - aber irgendwo fehlt hier der einheitliche Nenner der Produzierenden zugunsten des Sportes und der Masse (und letztendlich auch des eigenen Profits).
Ein weiteres Beispiel (ich bleib mal bei den Einsteigern) wäre auch der Brett- und Segelmarkt. Jedes zweite Topic in nem Forum ist doch geschmückt mit der Frage: "Brauche Hilfe bei der Brett-/Segelwahl". Und immer sind es die gleichen 50 Leute in Deutschland, die schriftlich oder sogar telefonisch Auskunft dazu geben (zum xxxten mal und mal mehr, mal weniger neutral und fundiert), um Anfängern diesen Sport zugänglich zu machen. An den Spots sind es auch immer die gleichen Aktiven, die Hilfestellung geben. Das wäre aber eine Aufgabe der Industrie, hier klare Verhältnisse zu schaffen (auch in ihrem eigenen Interesse). Gäbe es hier z.B. eine bestimmte Einsteigerlinie mit vergleichbaren Produkten/Produktmerkmalen (ruhig preiswert, z.B. Thermoform) aller Hersteller, wäre dieses Problem aus der Welt. Der Anfänger bräuchte sich höchstens noch Gedanken über das Markenimage zu machen und könnte dann kaufen - ambitioniertere Einsteiger wären dann trotzdem bereit mehr Geld für andere, nicht einheitliche Sachen auszugeben, nur sind die meistens auch gewillt, sich mit der Thematik schon von vornherein intensiver auseinanderzusetzen. Wäre Einsteigermaterial klar abgegrenzt vom Rest, hätte auch keiner Angst sich zu blamieren - alle fahren das gleiche (mit den Spühlhandschuhen im Winter vergleichbar oder dem Helm beim Radfahren)
Oder warum brechen so viele ab? Weil sie nicht das erleben, was sie sich vom Windsurfen versprochen haben - gleiten, heizen und fun. Stattdessen Frust ohne Ende: wieso komme ich nicht in die Schlaufen, wieso bleibe ich nicht im Gleiten, wie funktioniert dies, wie funktioniert das? Diese Aufgabe wurde immer auf Schulen und den Handel geschoben (meist ja die gleiche Institution). Im riesen Wirrwar der Fachausdrücke, Materialberge, Bewegungsabläufe wäre das aber wirklich etwas, das sich die Hersteller auf die Fahne schreiben müssten. Dabei wäre es wirklich einfach, selbst konzeptionell, nur möchte man seitens der Herstellenden Betriebe nicht in Vorlage gehen und sich der Verantwortung entziehen mal nachdenken zu müssen und ggf. auch die Verantwortung für neue Sicht- und Betrachtungsweisen übernehmen zu müssen. Hier wären Leute gefragt, die so gar nicht aus marktwirtschaftlicher Sicht an die Themen gehen.
Aber leider ist und bleibt das wohl Zukunftsmusik weil viele in den oberen Etagen nicht über den Tellerrand schauen (wollen oder können) und immer zuerst an den nachweisbaren Erfolg denken, egal wie minimal der ist.
Cheers,
Oliver