Gostoso - Brasilien

Sao Miguel do Gostoso

Seit acht Jahren verbringt Rino Radloff die Winter in Sao Miguel do Gostoso. Sein geballtes Wissen über den brasilianischen Spot hat er hier in einen detaillierten Spotguide gepackt.

40 Monate Gostoso, unzählige Windsurftage in Boardshorts bei 30° C Luft und 27° C Wasser. Wir haben mehr Schildkröten als Möwen gesehen und öfter den Kolibris zugesehen, als Zeitung gelesen.

Sao Miguel do Gostoso ist meine zweite Heimat, mein Ruhepol, Arbeitsplatz und Glückshormonspender geworden. Die ersten "Winter" bis einschließlich 2015 waren zwischen Anfang Oktober bis etwa Ende Dezember immer super windig, sodass ich mit meinen 85kg mit 4.8 meistens gut unterwegs war. Diese Zeiten sind vorbei. Jetzt ist es anders...

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Wind & Wetter
2015 hatten wir ab etwa Mitte Dezember die Auswirkungen des Wetterphänomens El Niño zu spüren bekommen und seitdem ist die Gostoso-Windmaschine ein wenig aus dem Ruder geraten. Aber es ist nicht unbedingt schlechter, wie man jetzt vermuten könnte. Ich habe an meiner "4.8-und-5.2-mit-90-Liter-Politik" festgehalten und habe mehr Surftage als vorher.

Die Bedingungen hier in Gostoso sind bis auf wenige Ausnahmen immer gemäßigt. Es ist nicht das perfekte Anfängerrevier und auch kein radikaler Wave-Spot. Zumindest meistens. Vielmehr hängt die Ausbeute vom Zeitpunkt der Session ab. Hier sind ein paar Beispiele:

  • Wenn die Ebbe am Morgen oder am späteren Nachmittag ist, sind die Bedingungen für Anfängerschulungen nahezu ideal, da es dann wenig Strömung, schwachen Wind und große Stehreviere gibt.
  • Wenn gegen Mittag/Nachmittag Hochwasser ist und minimaler N-swell (ab 0.9 bei 11 Sek.) angesagt ist, gibt es Top Bedingungen zum Springen bei gutem Wind.
  • Wenn das Niedrigwasser zwischen 11-15 Uhr liegt, hat man vor den beiden Clubs perfekte Freestyle und Aufsteigerbedingungen mit idealen, direkt von vorn kommenden Kickern.
  • Wenn der Wind Offshore weht, hat man weiter draußen, vor Dr. Wind und Kauli Seadis neuem Kitecenter immer noch perfekte Bedingungen mit gutem Wind.
  • Bei großen Swells (ab 2,0 bei 18+ Sek.) gibt es am Riff über masthohe Wellen, die super smooth brechen und Ritte durch die ganze Bucht erlauben. Kommt man mit eigenem Material und mietet sich einen Buggy, kann man in Lagoa do Sal bessere Wellen und in Praia do Marco stärkeren Wind finden. Außerdem gibt es zwei "Lagunen" in denen man speziell bei offshore Winden gut fahren kann.

Angekommen in Sao Miguel erwartet dich warmes, trockenes und angenehmes Klima um die 30 Grad. Durch den fast immer präsenten Wind ist es nicht stickig oder schwül. In den letzten Jahren hat es im Dezember und Januar ab und an mal geregnet. Meistens früh morgens oder abends.

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So hat man bei einer Vorhersage von 16-17 Knoten aus Ost-Süd-Ost und Bewölkung unter 30% beste Chancen auf einen Tag mit 4.8 Vollgas. Aber auch bei 12-13 Knoten, Süd-Ost und mehr als 80% Bewölkung kann es durchaus ein perfekter Sideshore-Tag für das 4.8er werden.

Allerdings kann man sagen, dass bei Bewölkung der Wind meistens an Kraft einbüßt und auch böiger wird. Zwei Tage vor richtig großem Swell dreht der Wind leicht, wird auflandiger und verliert ein wenig an Power.

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Saison
Grundsätzlich geht die Saison in Gostoso mit starken Offshore-Winden (Süd-Ost) ab Anfang September los. Im Verlauf des Oktobers dreht der Wind dann öfter auf sideshore und bleibt recht stark. Im November ist der Wind in der Regel sideshore und weht zuverlässig zwischen 10 und 15 Uhr. Die letzten Jahre bekamen wir im November mindestens einen guten Swell mit beeindruckenden Wellen. Dieser Zustand hat in den letzten Jahren etwa ab dem zweiten Dezember-Drittel nachgelassen.

Ab Mitte Januar geht es dann oft in die zweite Runde und wir können bis Ende Februar mit gutem Wind an etwa 7 von 10 Tagen rechnen.

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Anreise & Transfer
Am besten kommt man über den Flughafen Natal nach Gostoso. Zumindest bis heute ist die TAP Portugal (zusammen mit HiFly) die einzige Airline, die Natal direkt aus Europa (Lissabon) anfliegt. Leider hat sich der Service verschlechtert (Stand Apri 2019). In den letzten Jahren haben sich deshalb auch die Direktverbindungen mit Condor nach Recife oder Fortaleza als praktisch erwiesen. Nachteil: Für den Shuttle nach Gostoso muss man etwa weitere 200-270 EUR pro Strecke investieren. Von daher machen diese Verbindungen am meisten Sinn, wenn man mit Material, Tieren oder in Gruppen reist.

Von Recife fährt man 4 bis 6 Stunden und von Fortaleza zwischen 5 bis 7 Stunden. Wenn man in Natal landet, benötigt man noch etwa 1,5 Stunden für den Transfer. Der Preis für den Shuttle von Natal liegt zwischen 18 und 50 EUR.

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Die Shuttles werden von den Pousadas oder dem Reiseveranstalter organisiert und laufen in der Regel reibungslos. Auch die Mitnahme von eigenem Material ist hier kein Hindernis.

Oft lese ich "Sao Miguel, das kleine gemütliche Fischerdörfchen im Nordosten Brasiliens..." Alles richtig bis auf das Wort "klein". Ich würde Gostoso an sich eher als Kleinstadt bezeichnen. Zumindest insgesamt. Denn es spielt sich hier natürlich mehr ab, als nur Strand, Windsurfen und Gastro. Für Urlauber ist es vielleicht ein Dörfchen, dass ziemlich in die Länge gezogen ist. So ist man von einem zum anderen Ende des Ortes gut 40 Minuten zu Fuß unterwegs.

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Material und Location
Es gibt es je zwei Optionen. Mitbringen oder Leihen - Clube Kauli Seadi oder Dr.Wind. Jede dieser Möglichkeiten bringt Vor- und Nachteile mit sich.

Der Clube Kauli Seadi, vom Ex-Weltmeister Kauli Seadi geleitet, liegt etwa 650m in Lee von der Station von Paolo Migliorini "Dr. Wind". Ich fahre meistens und auch am liebsten direkt vor dem Club von Kauli. Am CKS ist es wirklich unschlagbar gut, wenn der Wind sideshore weht. Dann hat man bei Ebbe viel Platz zum Schulen und kann Flachwassermanöver üben. Beim Rausfahren findet man (außer bei voller Flut) fast immer einen Kicker für alle möglichen Moves.

Bei Swell sind auch oft Rampen für Backies dabei. Dann sind die Wellen über dem kleinen in Luv liegendem Riff auch gut für 4-5 Turns. Unterm Strich ist das Revier vor der Haustür von Kauli super gut geeignet, um entweder erste Schritte in die Windsurfwelt zu wagen oder Forwards zu üben und sich zu hohen Konos rauszuschießen. Kurz um: Für alles, sofern der Wind sideshore weht.

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Bei Offshore-Winden kommt man allerdings erst hinter dem kleinen Riff ins rutschen, kann dann aber sehr leicht zum Riff, welches in Luv vor der Station von Dr. Wind liegt, hochkreuzen. Falls du das planst solltest du etwa 100m in Luv der Flagge auf dem kleinen Riff einsteigen. Dann kommt man oft mit einem Schlag ans Hausriff von Dr Wind. Dort angekommen, erwartet einen dann starker Wind und meistens Wellen zum springen. Das Revier bei Dr. Wind funktioniert bei beiden Windrichtungen richtig gut. In meinen Augen ist das der größte geografische Vorteil. Bei mittelhohem Wasserstand ist es allerdings recht kabbelig, sodass es oft unangenehm zu fahren ist. Um Niedrigwasser herum ist es in Lee der Riffs spiegelglatt und lädt zum Üben und Tricksen ein. Den Spot bei Dr. Wind teilt man sich allerdings oft mit Kitern. In der Regel sind sie oft weiter in Luv, so dass es selten zu Störungen kommt. Wenn allerdings die Wellen drücken, wird es am Riff voller.

Bei Dr. Wind könnt ihr RRD Segel und auch Boards mieten. Das Material ist recht neu und in sehr gutem Zustand. Beim Clube Kauli Seadi werdet ihr mit Hot Sails Maui Segeln und größten Teils Brettern von NoveNove versorgt. An beiden Stationen kann man sich sehr gut verpflegen lassen und die Aussicht genießen.

Material mieten oder mitbringen
Der finanzielle Vor- oder Nachteil hängt in erster Linie von der Aufenthaltsdauer und auch von der Airline ab. So zahlt man bei der TAP 150 EUR pro Strecke. Bei der Condor sind es 79 EUR pro Strecke. Sofern man nicht permanent mobil ist und sein Material jeden Tag auf- und abriggen will, muss man noch die Kosten für die Lagerung dazu rechnen. So ist man bei 20 Tagen bei einem Preis von 430 EUR wenn man mit der TAP fliegt und einen Storage mietet. Die Materialmiete kostet etwa 570 EUR für 20 Tage.

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Spots
Mit eigenem Material ist es natürlich wesentlich einfacher an andere Spots zu fahren. Da sind in erster Linie Lagoa do Sal und Praia do Marco zu erwähnen. Lagoa do Sal ist ein Spot etwa 12km in Luv von Gostoso. Er besticht durch seine etwas östlicher ausgerichtete Lage und macht somit bei side off Bedingungen mehr Spaß, da der Wind dort gleichmäßiger sideshore weht. Darüber hinaus kann man in LDS auch sauberere und kräftigere Wellen als in SMG finden. Meistens brechen sie als A-Frames, was bedeutet, dass man sie frontside abreitet und mindestens einen Turn in die steilste Sektion der Welle drehen kann. Zum Nachmittag hin kommen in LDS oft auch die Local-Surfer zum Wellenreiten. Die Jungs sind stressfrei, sofern man sie respektiert und nicht ständig durch ihr Line-Up schliddert.

Praia do Marco liegt etwa 15km in Lee von Gostoso und zeichnet sich durch 2-5 Knoten stärkeren Wind und glatterem Wasser aus. Zudem muss man sich den Spot selten mit anderen teilen. Mit dem Buggy ist PDM sehr einfach über den Strand zu erreichen. Mit einem Mietwagen kommt über das Hinterland auch zum Strand. Der Weg ist dann allerdings etwas weiter. Nach der Session kann man dann in einem der örtlichen Restaurants direkt am Strand frischen Fisch oder anderes Gegrilltes genießen.

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Möchte oder muss man etwas weiter weg, um besseren Wind zu finden, fährt man etwa 90 km vorbei an Praia do Marco, nach Galinhos. Dort kann man in der Regel etwa 10 Knoten drauf legen. Da es sich um eine Halbinsel handelt, ist die einzige Möglichkeit dort motorisiert hinzukommen, die letzten 15km am Strand zu fahren. Das funktioniert nur bei Ebbe super gut.

Die Tour sollte man als unerfahrener Gast ohne Buggy- und/oder Portugiesisch-Kenntnisse eher nicht allein antreten. Für eine maximale Ausbeute der besten Möglichkeiten in und um Gostoso herum, sollte man also motorisiert sein. Dann bietet sich es an, einen Buggy zu mieten. Die Preise dafür haben sich in den letzten 8 Jahren verdoppelt. So zahlt man momentan 200 Reais (ca. 46 EUR) für eine Tagesmiete.

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Und sonst so?
Ansonsten kann man sagen, dass Gostoso sich über die letzten Jahre stark verändert hat. Die Angst der "Ex-Jeri-Touris", dass SMG bald genauso überlaufen und touristisch sein wird, ist verständlich, wenn man aber genau hinsieht, meiner Ansicht nach unbegründet. In Jericocoara wollte man den Tourismus auch seitens der lokalen Politik. Hier sagt man, dass man Tourismus fördern will, macht aber (zu) wenig. Vielmehr ist die Entwicklung hier freier und bestimmt durch die Pousadas und verschiedensten örtlichen Persönlichkeiten. Das ist aber auch gut so, denn meiner Meinung nach hat Gostoso den ursprünglichen, brasilianischen Charme nicht verloren sondern weiter verstärkt.

Viele positive Veränderungen hat es seit 2011 gegeben. Heute hat man diverse Möglichkeiten essen zu gehen. Von Sushi über ausgefallene Gerichte wie gegrilltem Octopus auf Melonensorbet bis hin zu Local-Food Restaurants ist für die meisten Besucher etwas dabei. Aber nicht nur kulinarisch hat sich der Ort sich entwickelt. Mittlerweile kann man neben Buggys auch recht einfach Fahrräder, Autos, Quads oder Mopeds mieten. Diverse Ausflüge kann man auf eigene Faust unternehmen oder sich in professionelle Hände begeben.

Die Infrastruktur ist gut geworden. Medizinische Grundversorgung, professionelle Shuttle-Services, Pousadas in allen Preisklassen, Supermärkte, diverse Massage- und Sportangebote, Day-Use-Areas sind vorhanden.

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In den ersten Jahren in Gostoso war es ein Highlight, mal nach Natal in die Shopping Mall zu fahren, um ein leckeres Eis zu essen oder vernünftiges Duschbad zu kaufen, mittlerweile fehlt es hier aber an nichts Wichtigem mehr. Wir empfinden Gostoso als ungefährlich. Es gibt Kriminalität und auch die eine oder andere Auseinandersetzung. Das sind allerdings meistens Dinge, die zwischen den Einwohnern ablaufen und an einer Hand abzuzählen sind. Im Grunde bekommt man als Urlauber, ohne in der lokalen Szene involviert zu sein, nichts davon mit.

In Gostoso kennt man sich nach wenigen Tagen. Die Zahl der Windsüchtigen ist überschaubar. Wenn bei Kauli und Dr. Wind zusammen 50 Windsurfer auf dem Wasser sind, ist das viel. Kommst du allein und suchst ein wenig Anschluss, findest du den hier ganz sicher. Auch auf den Pousadas lernt man sich gut kennen, da das "Zusammenleben" ein deutlich anderes ist, als in großen Hotels.

Der Autor dieses Spot Guides, Rino Radloff, plant Reisen und vermittelt Unterkünfte und Material in Gostoso.

Rino kann über folgende Website kontaktiert werden: gosurfbrazil.com

03.05.2019 © DAILY DOSE  |  Text: Rino Radloff  |  Fotos/Grafiken: @Windpaparazzi, Rino Radloff