Windsurf-Reise Marokko
So dicht wie in der Aufmacher-Fotomontage kommen die Kamele aus Essaouira Boujmaa Guilloul beim Windsurfen Moulay kaum.

Windsurf-Reise Marokko

Der Windsurfcoach Tom Brendt hat Marokko seinen jährlichen Besuch abgestattet und grandiose Bedingungen erlebt.

Es ist fünf Uhr vierzig am frühen Morgen. Meine Augen öffnen sich mühsam, obwohl ich schon seit einiger Zeit in meiner Unterkunft für die nächsten siebzehn Tage wach liege. Die Gebete des Muezzin dringen durch die staubigen Gassen des Dorfes und verdrängen für einen kurzen Moment die Geräuschkulisse klappernder Zimmertüren.

In der Ferne schreien einige Esel und die Hähne der Nachbarschaft krähen bereits seit geraumer Zeit. Meine Gedanken gehen ein paar Stunden zurück, zu meiner turbulenten Anreise nach Marokko. Auf dem Weg von den Kanaren Richtung Marrakesch ging es durch massive Unwettergebiete und der kurze Flug in der ATR72 wurde zur Geduldsprobe für all jene mit schwachem Magen.

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Angekommen am zweitgrößten Flughafen Marokkos im Süden Marrakeschs, ging dann alles erstaunlicherweise zügig. Passkontrolle, Geldwechsel, marokkanische SIM-Karte und schon befand ich mich im Taxi und inmitten des leicht chaotischen Straßenverkehrs der Stadt.

Es scheint alles wie immer. In immer wiederkehrender Reihenfolge liegen Cafés, Eisenwarenläden, Mini-Supermärkte und Internetanbieter entlang der trockenen, staubigen Straßen. Hupendes Getöse hält den Verkehr am Laufen, wie es scheint. Der Geruch frischen Minztees dringt ins Wageninnere. Für mich als Allergiker ist der Tee weniger relevant, gehört aber einfach ins Gesamtbild und ist aus meinem Gedächtnispalast nicht mehr zu verdrängen.

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Alles ist wie in den vielen Jahren zuvor, wären da nicht die immer wieder auftauchenden Logos der berühmtesten amerikanischen Burgerläden inmitten traditioneller Cafés.

Langsam entfernen wir uns vom Großstadt-Smog, und kaum haben wir die Stadtgrenze verlassen, lasse ich per Kurbel das Fenster in der Wagentür verschwinden, womit dann auch der Standard des Taxis erklärt wäre.

Der Duft der anliegenden Olivenhaine ist unverkennbar. Aus dem Flugzeug ist es großartig, dem in geometrischer Perfektion anmutenden Landschaftsbau zu beobachten. Bei der Vorbeifahrt wirkt es allerdings eher als reines Chaos, als würde man versuchen wollen, die perfekt angeordneten Baum- und Pflanzenreihen zu verstecken.

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Es geht durch zahlreiche Dörfer und kleinere Städte. Es herrscht reges Treiben auf den Straßen, allerdings in deutlich geringerer Geschwindigkeit, als man es aus den nördlicheren Ländern kennt. Ähnlich zu Marrakesch wiederholt sich die Anordnung der Cafés, Eisenwarenhändler, Bäcker, Metzger und Baubedarfhandel stetig. Auch hier: Alles wie immer.

Erst als wir die Schnellstraße N8 verlassen, um den Rest des Weges über Landstraßen den Weg ans Ziel zu finden, traue ich meinen Augen kaum. Es muss wohl ein regnerischer Winter gewesen sein, denn in dieser Farbenpracht habe ich die Landschaft dieser Gegend in all den Jahren noch nicht wahrnehmen dürfen. Selbst ohne polarisierte Sonnenbrille schillern die Farben der umliegenden Pflanzenwelt beeindruckend, fast schon kitschig.

Tatsächlich sollte der Regen vor allem in den ersten Tagen meines Aufenthalts auch ein ständiger Begleiter werden.

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Es ist bereits früher Abend, als wir in Moulay einfahren. Trotz wochenlangem Südwind laufen saubere zwei Meter Wellen entlang der Küste und brechen wie an der Schnur gezogen über das Riff. Eigentlich kenne ich das in Moulay nur bei nördlichen Swells.

Es scheint, als würden wir in diesem Jahr wieder einmal Moulay übliche Bedingungen erleben dürfen, nachdem die Wellen im Vorjahr, zum ersten Mal in all den Jahren, etwas ausblieben.

Leider ist es für eine Surf- oder SUP-Session schon zu spät. Die Sonne ist kurz davor, hinter dem Horizont zu verschwinden. Also beziehe ich erstmal mein sehr einfaches Zimmer und freue mich auf die kommenden Tage.

Ohne wirklich viel Schlaf liege ich jetzt also hier, die erste Nacht in Moulay habe ich hinter mir. Unwetterartiger Regen prasselte auf das Dörfchen nieder und die Wassermassen bahnten sich tröpfchenweise den Weg durch die Betondecke meiner Behausung. Die Unwetterfront, welche tags zuvor noch Teile der kanarischen Inseln unter Wasser gesetzt hatte, war mir wohl bis aufs marokkanische Festland gefolgt.

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Am frühen Morgen war der Spuk dann vorbei. Die morgendliche Sonne strahlte und leuchtete immer noch herrliche Wellenlinien aus.

Nachdem die Begrüßungszeremonien abgeschlossen sind, schnappe ich das Fünf-Nuller-Segel und auf geht es in meine erste Warm-Up-Session, bevor für zwei Wochen meine Windsurf-Clinics starten. Bei immer noch Südwind, in Moulay kommt der von links, und über kopfhohen Wellen bleibe ich auf dem Wasser, bis mir mein Körper nach ein paar Stunden das Stop-Schild vor das Gesicht hält. Was für ein Einstieg.

Am Folgetag sollte der Wind zurück auf den üblichen Nordwind drehen. Dies dauert meist den gesamten Tag. Flaute bei chaotischen Wellen war angesagt. Ein idealer Zeitpunkt, um der Stadt Essaouira, mit ihrem ewig langen Sandstrand, bekannt als Kitesurf-Hochburg und Wellenreit-Einsteigerspot, zwanzig Autominuten südlich von Moulay, einen Besuch abzustatten, ein paar Einkäufe zu erledigen und nochmals etwas Zivilisation aufzusaugen, bevor sich mein Leben in den kommenden 15 Tagen ausschließlich um die Wellen Moulays und meine Schüler drehen würde.

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Auf dem Rückweg in der Abenddämmerung musste ich dann kurz innehalten. Während Moulay von der Landstraße R301 zwischen Essaouira und Safi in der Vergangenheit nicht einmal ansatzweise zu sehen war, leuchtet der Ort nun fast wie ein städtisches Einkaufszentrum zur Weihnachtszeit.

Die neu installierte LED-Straßenbeleuchtung, welche bis weit außerhalb des Ortes zur ebenfalls neuen ortseigenen Entsalzungsanlage reicht, scheint ordentlich zu funktionieren. An verschiedensten Plätzen in Moulay wurden Frischwasserbehälter aufgestellt, welche regelmäßig mit dem Wasser der neuen Anlage versorgt werden, um den Menschen im Ort einen einfacheren Zugang zu Wasser zu ermöglichen. Neue Straßen, ein bezahlter Parkplatz (zwischen umgerechnet zwanzig Cent und zwei Euro pro Tag), Frischwasser und Straßenbeleuchtung. Es ist also doch nicht alles wie immer.

Pünktlich zum Start der beiden Clinic-Wochen pendelte sich der Wind in nördlicher Richtung ein, allerdings noch etwas zu schwach für die ersten Waveriding-Sessions, aber mehr als gut genug zum Wellenreiten und Stand-Up-Paddeln, ideal, um den Spot, das Riff und die Wellen kennenzulernen, bevor es dann ab Tag zwei richtig rund gehen würde.

Tatsächlich beschleunigte der Wind am folgenden Morgen wie ein übermotorisierter Sportwagen und die Wellen wollten ihm in nichts nachstehen.

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Von Tag zu Tag wurde der Wind stärker, die Segel kleiner und die Wellen größer. Eine ganz schöne Herausforderung für meine Gruppe, aber mit jeder Session auf dem Wasser stieg das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Die Bottom Turns wurden schneller, die Cut Backs schneidiger und die langen Wellen immer besser ausgenutzt. Moulay lieferte mal wieder einen perfekten Trainingsplatz, und wer bisher Probleme hatte, seine Komfortzone zu verlassen, der wurde spätestens hier und jetzt auf die Probe gestellt.

Nach einer sehr windigen und welligen Woche gestattete uns Moulay einen Ruhetag, zumindest was die Dauerbelüftung anging. Die Wellen liefen einfach immer weiter und boten eine ideale Plattform für weitere SUP-Erfahrungen in der Welle, schnellere Take-Offs, längere Ritte und erste Turns.

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Dass die Bedingungen der ersten Woche am Ende fast nur noch als Aufwärmprogramm gesehen werden würden, war zu diesem Zeitpunkt nur anhand der Wochenvorhersage zu erahnen. Zwar kamen die Wellen in den vergangenen Tagen mit teils über drei Meter Höhe auf das Moulay Riff zugerollt, entfalteten dort aber noch nicht ihr volles Potenzial, einer Wellenperiode von sieben bis acht Sekunden sei Dank.

Während der kommenden sieben Tage sah es aber bereits nach einer etwas idealeren, nördlicheren Swell-Richtung bei einer Wellenperiode von fünfzehn bis sechzehn Sekunden aus. Es war also eine ganz andere Qualität sowohl an Wellenlänge, Kraft und Höhe zu erwarten. Wen dies besonders freuen durfte, waren den Organisatoren des diesjährigen Moulay Wave Classic, einem drei Sterne IWT (International Windsurfing Tour) Event, welches zum kommenden Wochenende und pünktlich zum Eintreffen dieses Swells starten würde.

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Teilten wir uns in der ersten Woche das Dorf noch mit den Einheimischen, einigen Schafen, Eseln und Hunden, wurde nicht nur der mittlerweile asphaltierte und gut ausgeleuchtete Parkplatz unmittelbar oberhalb des Spots über Nacht deutlich voller. Aufgrund der Vorhersage aber natürlich auch wegen eben jenem anstehenden Event.

Viel Wind, viel Welle, ein anstehender IWT-Event. Ja, das Niveau auf dem Wasser stieg immens in der zweiten Woche. Der deutsche Nick Spangenberg, die Locals Momo Elabdi, Yves Masnada, Soufiane Sahili und Boujma Guilloul, aber vor allem die französischen Brüder Julien und Titouan Flechet zogen die Blicke aller auf sich. Die Flechet-Brüder wurden gar Teil einer meiner Coaching-Sessions, da niemand aus der Gruppe sie aus den Augen lassen wollte. Perfekter und flüssiger kann man Moulays Wellen wohl kaum abreiten als die beiden jungen Franzosen.

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Daher war es auch nicht allzu verwunderlich, dass Titouan Flechet am Ende das Moulay Wave Classic auf der obersten Stufe des Podiums beenden sollte.

Allerdings auch Hut ab vor meinen Schülern, welche sich mit teils schlotternden Knien und nach ausgiebigem Studium der Wellensets in diese Wellenberge und die dazugehörigen Strömungen stürzten, den gerade erlernten Duck Dive samt des gesamten Windsurf-Materials mehr als einmal in die Praxis umsetzten und allesamt nach einigen geglückten Wellenritten glücklich und mit erhöhtem Adrenalinspiegel an den Strand zurückkehrten.

Während des Sundowner-Minztees auf der Terrasse des zum Windsurf-Center gehörigen Café Resto gab es reichlich zu erzählen, während auf dem Wasser bis in die Dunkelheit weiter ordentlich Spray verteilt wurde.

Die Mega-Portion Couscous zum Abschluss unserer Clinic-Wochen hatten sich alle redlich verdient.

Essaouira
Essaouira

Meine Zeit in Moulay ist vorbei. Während mein Taxi sich in Bewegung setzt, genieße ich nochmals den Blick auf die Wellenlinien. Jahr für Jahr ändern sich Kleinigkeiten in diesem kleinen Dörfchen an der Küste Marokkos, zweieinhalb Autostunden östlich von Marrakesch, aber die Wellen bleiben.

16.05.2025 © DAILY DOSE  |  Text: Tom Brendt  |  Fotos/Grafiken: Tom Brendt