Teneriffa Nord

Bock auf Rock - Teneriffa Nord

Wer bei Teneriffa ans Windsurfen denkt, hat dabei sicher El Médano im Kopf. Es gibt aber weitaus mehr Spots auf der Kanareninsel, von denen allerdings viele nicht ungefährlich sind. Jochen Stolz erzählt von einem Big Day an der Nordwestküste.

Adrenalin ist was etwas Tolles, leider gibt's die volle Dosis nicht bei jeder Windsurfsession. An einem Tag in diesem Winter versprach die Wettervorhersage aber wieder Mal eine Adrenalinbetankung, denn die Spots im Norden sollten funktionieren.

Die Küste auf der Nordwestseite der Insel ist nicht gerade zahm. Scharfe Felsen aus Lava, unkonstanter Wind, Strömung und dicke Brecher sind nicht jedermanns Sache. An einem dieser Spots fünf Personen auf dem Wasser zu sehen ist absolut rekordverdächtig, und irgendwie auch surreal. Ich hatte schon zahlreiche Sessions alleine, da sich niemand fand, der die lange Anreise und die Herausforderungen auf sich nehmen wollte.

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Beim Nachwuchstalent Julian Salmonn wusste ich, dass das Können für so eine Session vorhanden war. Also abends kurz mit Julian gequatscht und uns für neun Uhr morgens verabredet. Jeder packte ein Board, zwei Segel, zwei Masten und eine Gabel in seine Karre und ich steckte noch meinen Vater mit dazu, der zu dieser Zeit auf der Insel verweilte.

Zum Glück hatte ich an diesem Tag frei. Da ich in El Médano seit 16 Jahren eine Apartmentvermietung betreibe, ist Zeit knapp und auch die Sessions müssen mit den Anreisezeiten meiner Gäste abgestimmt sein. Erst am Abend gegen 18 Uhr hatte ich eine Anreise - also gab es freie Fahrt.

Im Norden angekommen, bot sich ein trauriges Bild: kaum Welle, sehr wenig Wind. Nur ein Wellenreiter vergnügte sich in den maximal eineinhalb Meter hohen Wellen. Den Spot kannte ich gut von vorherigen Sessions. Die Welle hat Dampf und der Wind bläst Sideoffshore. Aber für das, was sich unseren Augen bot, waren wir nicht hierher gekommen. Gefrustet sah ich allerdings am Horizont draussen etwas mehr Wind. Ich erinnerte mich an einen Spot in der Nähe, den wir nur einmal zuvor - vor ca. 15 Jahren - gewindsurft hatten. Dany Bruch war damals der einzige von uns, der sich bei zehn Knoten mit einem 90-Liter-Board und 5,7er Segel ins Wasser gewagt hatte. Ich hatte damals mit 4,7 und 80 l absolut keine Chance, aber vielleicht hatten wir heute Glück.

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Als wir ankamen, wehte tatsächlich etwas mehr Wind als am vorherigen Spot. Ich erinnerte mich an den Tag vor 15 Jahren mit doppelt masthohen Wellen. Ich schoss damals ein Foto von Dany, das auch als Titelbild auf einem spanischen Windsurfmag landete. Ich war später noch einmal mit Alex Mussolini hier, bei 40 Knoten und 3-fach masthohen Chaoswellen. Alex zeigte mir damals nur den Vogel - an diesem Tag war ans Windsurfen ohne Rettungsmannschaft und Jetski nicht zu denken.

Während ich Julian die alten Geschichten erzählte, schauten wir über die Steilküste. Eventuell könnte es funktionieren, ermunterte ich Julian. Er wusste, warum er kurz später aufbaute, denn sonst wäre ich als erstes raus und hätte ihm die Kamera in die Hand gedrückt...

Runter zum Wasser ging es über Felsen. Das 4,7er Segel und 90er Board kurzerhand ins Wasser geworfen und schon nach einigen Metern dümpeln konnte Julian losgleiten. Nach zwei Minuten die erste logohohe Welle runter - wow, ist doch ganz ok - und Bäng, ein Aerial mit schönem Bail Out.

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Ich muss erwähnen, das mitten in der Abreitzone der Wellen eine Felsplatte liegt. Reitest du die Welle zu lange ab, gibt es Kleinholz. Dieses Mal ging es noch gut und Julian schoss zurück in den Line Up. Das 4,7er war ausreichend. Die nächste Welle und wieder ein Aerial, dieses mal ohne Crash, dazu noch zwei Cutbacks. Er schafft es vor dem Felsen raus. Noch zwei Wellen und ich gehe auch raus.

Während Julian auf das nächste Wellenset wartete, rief ich kurz Dany Bruch an. "Dany, der Spot von damals geht mit 4,7 und logohohen Wellen." "Quatsch", entgegnete Dany. "Die Swellrichtung passt doch gar nicht." "Natürlich nicht so wie damals aber für eine Session reicht's", entgegnete ich ihm. "Nee Alter, ich bin krank und liege mit Fieber im Bett." "Ok, dann Gute Besserung, wollte dir nur Bescheid geben."

Es war Zeit, dass ich mich auch von den Felsen stürzte. Ich drückte meinem Vater die Kamera in die Hand und sagte, immer nur hier draufdrücken, komme gleich wieder. Das kannte mein Papa schon. "Gleich" heisst beim beim Wwindsurfen eher so drei bis vier Stunden – mindestens...

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Julian und ich teilten uns die Wellen mit konstantem Wind für's 4,7er. Zwei fiese Abgänge brachten mich auf nur wenige Zentimeter Abstand an die Felsenplatte heran, aber die Strömung zog mich mit meinem Material doch jedes Mal wieder um den Felsen herum. Nach knapp vier Stunden waren unsere Batterien leer und wir schwammen zusammen zurück in Richtung Ufer. Und wer sprang uns da entgegen? Dany und Javier alias Zana. Dany hatte es nicht zuhause ausgehalten und kurzerhand seinen Kumpel und Geschäftspartner bei Diamond Windsurfboards eingepackt und war hierher gedüst. Es wurde ein kurzes Grölen ausgetauscht als wir in 100 Meter Entfernung aneinander vorbeischwammen. Die Beiden hatte dann sichtlichen Spass, genau wie Julian und ich zuvor.

Dann mussten wir auch los, denn 'Papa' war ja schon seit gut fünf Stunden mitten im Nirgendwo ohne Essen und Bier festgesetzt. Der Gerstensaft war schnell organisiert und auf der Rückfahrt teilte ich mit Julian die Freude darüber, dass wir heute nicht auf den Felsen gelandet waren.

Bei unserer nächsten Session im Norden Teneriffas sollte sich das allerdings ändern. Diese Nachricht kam abends von Dany: “Jochen, morgen gibts fetten Swell und Wind von rechts, kommste mit???” Aber dazu mehr beim nächsten Bericht...

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Jochen wird gesponsort von: WindsurfingTenerife.com, Fanatic, Simmer, MaverX Masts und Al 360 Booms.

09.05.2018 © DAILY DOSE  |  Text: Christian Tillmanns, Jochen Stolz, Jürgen Schall  |  Fotos/Grafiken: Heinz Stolz, Jochen Stolz

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