Philipp Grzybowski
Philipp beim Flaka

Wave Camp Dänemark

Philipp Grzybowski besuchte das Wave Camp von Flo Jung - hier lest ihr den Bericht zur Reise nach Dänemark

Freitag halb vier in Hamburg, ich sitze bei meiner Freundin am WG-Küchentisch und klappe leicht genervt meinen Laptop zu. Sowohl Windfinder als auch das Dänisch-Meteorologische-Institut und jedes verdammte einzelne Berechnungsmodell bei Windguru, melden Ostwind für die nächste Woche in Dänemark. Ostwind im September... könnte vielleicht mal jemand den Wettergöttern erklären, dass der Sommer vorbei ist und die Zeit reif ist für Herbststürme aus Westen?! Denn genau darauf hatte ich gehofft, als ich mich für Flo Jungs Wave Camp in Klitmøller angemeldet habe. Na gut, meckern nützt nun auch nichts. Fix mit meiner Freundin noch Falafel essen und dann ab auf die Autobahn. Knapp 500 km alleine im Bulli nach Norden.

Gegen halb elf komme ich am Ferienhaus in Klitmøller an. Drinnen brennt noch Licht. Teamkollege Nick Spangenberg, unser Co-Trainer für die nächste Woche, sowie zwei weitere Teilnehmer sind schon da. Flo selbst ist noch irgendwo auf der Autobahn zwischen Kiel und Klitmøller. Nach einem allgemeinen Hallo gebe ich der Müdigkeit nach und verkrieche mich in meinen Bulli.

Am nächsten Morgen beim Frühstück trudeln die restlichen Teilnehmer ein. Mit Flo und Nick sind wir insgesamt zu zehnt. Wir starten mit einer ausführlichen Vorstellungsrunde und einer wetterbedingten Aktualisierung des Ablaufplans. Flos Apell: „Ich hoffe ihr seid alle etwas flexibel. Denn Wind ist, nur eben leider nicht hier.“ Soll heißen, wenn die Wettervorhersage so bleibt, fahren wir rüber an die Ostsee, um dort wenigstens ein paar kleine Wellen und Gleitwind zu finden. Vorerst aber wollen wir nach Krik, einem Freestyle-Spot bei Agger, der „Däne“ sagt hier ein kleines Windfenster voraus.

Wave Camp Dänemark
Theoriestunde mit Flo Jung

Lektion des heutigen Tages: Ziele richtig setzen und den Kopf ausschalten. Solange wir weder richtigen Gleitwind noch Wellen haben, mache ich mich an den Upwind 360 Diabolo. Ein Move, den ich so noch nicht probiert habe, der mir aber auch nicht zu schwer erscheint, da ich den einfachen Upwind 360 nun schon seit Jahren gut beherrsche.

Flos Trainingsansatz: Die Fehler bewusst zu erfühlen und nicht zu zerdenken. „Wenn Du als Kind laufen lernst, dann denkst Du auch nicht darüber nach. Du wirst mal nach vorne fallen und mal landest Du auf dem Hintern. Bis Du eben die richtige Balance gefunden hast. Und so macht Ihr das auch auf dem Surfbrett.“ Ich versuche also von nun an, immer wenn es mich reinhaut, mir das Gefühl vom Segeldruck und meiner Körperstellung einzuprägen und so zwischen den Extremen die richtige Balance zu finden. Und tatsächlich gelingt es mir nach einigen weiteren Versuchen, bei der Rotation noch unter dem Segel durch zu tauchen.

Nach der Session treffen wir uns zum Pfannkuchen essen in Klitmøller und lassen das Gelernte Revue passieren. „Freut euch auf morgen, da will ich euch an eure Grenzen bringen.“ Verkündet Flo noch schmunzelnd, bevor sich die Runde auflöst und wir erschöpft in die Betten fallen. Laufschuhe an und nach kurzer Instruktion geht es los. Im Gänsemarsch joggend zum Strand. Die Sonne scheint und die Luft hat angenehme 20° C. Am Strand wartet Nick mit unseren Schwimmsachen auf uns. Ich befürchte Schlimmes. „Zieht euch schnell um und dann wollen wir sehen, dass wir ins Wasser kommen“, erklärt Flo. „Die Nordsee hat 17° C, das kann ein gesunder Mensch gut ne halbe Stunde aushalten.

Wir schwimmen zehn Minuten die Küste hoch und dann wieder zurück zum Ausgangspunkt.“ Meine Befürchtung wird real, ich hasse kaltes Wasser. Nach dem ersten Untertauchen, fängt mein Herz an zu rasen, meine Atemfrequenz ist deutlich erhöht und meine Haut brennt. „Versucht, ruhig zu atmen, ihr müsst lächeln um euren Kopf zu verarschen und bleibt in Bewegung!“, ruft Flo über unsere Köpfe hinweg und schwimmt mit kräftigen Armzügen los. Nach einigen Minuten beginnt mein Körper, sich an die Temperatur zu gewöhnen. Oder besser gesagt: Er hört auf, sich zu sträuben. Dennoch teile ich die vorherrschenden Meinung der Gruppe nicht, das Wasser sei mit der Zeit ganz angenehm gewesen. Stattdessen bin ich heil froh, wieder an Land zu sein.v
„Wenn ihr beim Surfen mal in eine Stresssituation kommt oder lange Schwimmen müsst ist es wichtig, dass ihr euch entspannt. Jetzt wisst ihr, dass ihr es auch ohne Neoprenanzug im September mal zwanzig Minuten in der Nordsee aushaltet. Denkt daran, wenn ihr an einem kalten Tag mal länger schwimmen müsst“, erklärt Flo abschließend die Lektion. Ich bin froh über die Erfahrung und danke Jack O’Neil für die Erfindung des Neoprenanzuges.

Wellenreiten auf der Ostsee
Alex auf dem Weg zum Wellenreiten

Zurück am Haus folgt dann die Videoanalyse vom Vortag. Nachmittags sowie am Folgetag geht es mit Leichtwind von rechts und kleinen Wellen in Hanstholm aufs Wasser. Dort üben wir weiter Grundlagen und steigen ins Coaching für Bottom Turn und Cutbacks ein. Abends wieder Videoanalyse und Feedback.

Am Dienstag brechen wir bereits um neun Uhr morgens zu einem Spot mitten im Limfjord auf, denn endlich haben wir richtigen Gleitwind. Dort fanden wir sowohl eine Bucht mit sehr plattem Wasser zum Freestylen, als auch eine Bucht mit Monster Chop zum Springen und Rantasten ans Waveriding. Ein Großteil der Teilnehmer erprobt den Spinloop, während ich versuche, die erlernte Technik vom Upwind 360 Diabolo in meinen Flaka einzubauen.

Außerdem nutze ich die Windwellen, um Flo einen Eindruck von meinen Waveride Skills zu vermitteln. Beobachtet werden wir dabei von einigen Robben, die immer mal wieder neugierig ihre Köpfe aus dem Wasser recken. Nach der Session dann Burger und Pommes in Hanstholm. Abends klingt der Tag mit einem Picknick am Strand von Klitmøller und einigen Anekdoten von Flo aus.

Ausflug an die Ostsee
Das Camp in Fornæs

Am Mittwoch ist dann die bereits geforderte Flexibilität gefragt. Der Däne meldet Druck mit bis zu zwei Meter Welle an der dänischen Ostküste. Windsurfen ist bekanntlich Motorsport und somit satteln wir die Bullis und reiten los. Nach einer guten dreistündigen Fahrt ist der erste Eindruck allerdings ernüchternd. Wind ist eher noch keiner zu finden und die Wellen auf dem Fjord sahen auch irgendwie größer aus als die auf der Ostsee. „Lasst mal erstmal einen Campingplatz suchen, der Forecast für morgen scheint eh besser zu sein.“ Ermutigt uns Flo und wir schlagen unser Camp in Fornæs bei Grenaa auf.

Unser Camp liegt direkt an einer Bucht an der Ostsee und einige Wellen laufen tatsächlich auch schon. Die meisten von uns zieht es aufs Wasser. Flo ist erstmal mit dem Wingfoil draußen, während Nick und Daniel sich in die kleinen Ostseewellen pumpen. Alex sucht sein Glück sogar mit dem Wellenreiter. Kurz vor Sonnenuntergang tauscht Flo dann Wingfoil gegen Windsurfstuff und auch ich lege die Kamera zur Seite und krame das Wave-Material aus dem Bulli. Endlich Wellen und Wind fürs 4,5er. Aus der falschen Richtung, am falschen Meer und fast komplett onshore.

Aber alles ganz egal, denn die Session macht richtig Laune. Ich schnappe mir eine Welle nach der nächsten, bis ich fast nichts mehr sehen kann. Zurück im Camp bekomme ich zu meiner Verblüffung Komplimente für meine Turns: „Der letzte, der war nice! Den haben wir am Strand gefeiert.“ Ja? Weiß ich gar nicht mehr. Welchen Turn meinen die? Kann mich nicht erinnern. Ist das der Flow von dem Flo immer spricht, wenn der Kopf aus ist und die Session einfach Spaß macht?

Wave Camp Veranstalter Florian Jung
Flo

Am nächsten Morgen geht’s mit der getankten Euphorie und den ersten Sonnenstrahlen wieder aufs Wasser. Die Wellen haben über Nacht noch ordentlich an Kraft und Größe gewonnen. Der Wind ist jetzt allerdings so richtig onshore und somit gleicht die Session am ehesten einem Survivalabenteuer. Unsere Reisegruppe büßt in zwei Stunden vier Finnen und ein Fußschlaufenplug ein.

Co-Trainer Nick Spangenberg
Nick

Nach dem Frühstück geht’s auf die Suche nach einem besseren Spot. In Bønnerup finden wir Sideshorewind mit dafür aber auch kleineren Wellen. Flo schnappt sich jeden von uns nacheinander. Wir fahren gemeinsam raus, suchen eine Welle und reiten diese ab. Zurück am Strand gibt es dann Feedback bevor es wieder raus geht. Nach weiteren zwei Stunden auf dem Wasser lässt der Wind nach und wir fahren zurück nach Klitmøller. Pizza essen und ab ins Bett, denn am nächsten Morgen müssen wir früh in Hanstholm sein um noch mal aufs Wasser zukommen.

Philipp beim Bottom Turn
Philipp

Am Freitagmorgen fällt mir das Aufstehen extrem schwer. Mir stecken so langsam die vergangenen Sessions in den Knochen und zu allem Überfluss ist es kalt und regnerisch. Ich würge mein Müsli runter und breche auf. Treffpunkt: Hanstholm Middles. An der Mole kommen mir die ersten bekannten Bullis aber schon wieder entgegen. Kurzer Blick aufs Handy: „Erster Parkplatz, links der Mole!“. Oha, da war ich noch nie. Spannend! Hört es bitte mal auf zu regnen?!

Wellen abreiten bei Wind von rechts
Daniel

Ich stelle den Motor ab, schalte die Standheizung an und pule mich in meinen Regenmantel. Nick kommt schon wieder die kleine Düne heruntergeklettert. „Sieht gut aus!“, ruft er mir zu. Ich mache mir selbst ein Bild und bin sofort hellwach. Da laufen Sets, mindestens zwei, vielleicht drei Meter Wellen. Unten fliegt Sand den Strand entlang. Hansi wie ich es kenne. Naja von rechts und nicht wie gewohnt von links, aber das ist mir mittlerweile auch egal.

Ich zieh das 4,0er auf und warte auf den Rest der Gruppe. Gleiches Spiel wie an der Ostsee. Ich fahre mit Flo zusammen raus, er zeigt mir eine Welle und signalisiert mir, wo ich mich zu positionieren habe, bevor ich im richtigen Moment in die Tiefe sause und mich in den Bottom Turn lege.

Geschafft - eine Woche Wavecamp in Dänemark

Zurück am Strand dann sofort wieder Feedback: „Länger warten! Guck was in Lee passiert! Such die Powerzonen!“ Mit dem passenden Mindset kann ich die Wellen mehr und mehr genießen. Kurz ärgere ich mich, dass wir diese Bedingungen nicht von Anfang bis Ende des Camps hatten. Doch dann kommt mir in den Sinn, dass ich selten so sicher und so zufrieden in Hanstholm gesurft bin. Und das, ohne in den letzten Tagen hier trainiert zu haben. Danke Flo(w)!

02.01.2023 © DAILY DOSE  |  Text: Philipp Grzybowski  |  Fotos/Grafiken: Nick Spangenberg, Philipp Grzybowski