Antoine Albeau im Windkanal

Projekt Zephir

Windsurf Speed Weltrekord im Visir

Das Projekt Zephir von Marc Amerigo und Antoine Albeau will den absoluten Geschwindigkeitsrekord für Segelfahrzeuge wieder zurück zum Windsurfen holen. Mehr als 50 Firmen sind an dem ambitionierten Vorhaben beteiligt, schneller als 121,21 km/h zu surfen...

Antoine Albeau hat so ziemlich alles erreicht, was man im Windsurfen erreichen kann. An Ruhestand will der 48-jährige Windsurfprofi aber noch nicht denken. Seine Ziele sind enorm ehrgeizig. Als er von Marc Amerigo wegen des Speed-Projektes angesprochen, wurde griff Albeau zu. Amerigo hat schon diverse Speed-Projekte in anderen Bereichen erfolgreich durchgeführt.

Das Ziel liegt darin, den absoluten Geschwindigkeitsrekord für Segelfahrzeuge wieder zurück zum Windsurfing holen. Dieser Rekord steht momentan bei 65,45 Knoten, das entspricht 121,21 km/h. Um dieses Vorhaben zu erreichen, genügt es nicht mal eben eine neue Finne einzubauen. Das komplette Konzept muss angefasst werden.

Neben Antoine Albeau und Marc Amerigo gibt es ein internationales Team, das sich aus 80 Experten und 50 Unternehmen aus den Bereichen Wettkampfsegeln (America's Cup, Volvo Ocean Race, Vendée Globe), Formel 1, Luft- und Raumfahrt, 3D-Experten, Design und künstliche Intelligenz zusammensetzt.

Zu den Köpfen des Teams gehören unter anderem Martin Fischer (Co-Designer der Luna Rossa / America's Cup), Eric Barone (Extremsportler, Stuntman und Weltrekordhalter im Downhill-Mountainbiking), Robert Stroj (Chefdesigner NeilPryde) und Chris Radkowski (Foil Designer).

Luftverwirbelungen am Anzug werden sichtbar gemacht.
Luftverwirbelungen am Anzug werden sichtbar gemacht.

Wie funktioniert euer Projekt? Wie kam es zu der Kooperation?
Antoine: "Marc Amerigo hat mich vor einem Jahr kontaktiert, und gefragt, ob ich Interesse an einem Speed-Projekt über drei Jahre habe. Marc hat bereits Speed-Projekte im Snowboarding und Downhill-Mountainbiking gemacht. Er ist nicht der Athlet, aber er weiß, wie man Weltrekordprojekte mit Top-Athleten aufstellt."

In welchen Richtungen sucht ihr nach Möglichkeiten, um die Geschwindigkeit zu erhöhen?
Antoine: "Wir sind vom leeren Blatt Papier ausgegangen und haben versucht zu erkennen, wo die Probleme beim Windsurfen liegen. Wir verwenden verschiedene Ansätze (Windkanaltests, Berechnungen, Prototypen, On-Board-Messungen...), um so viele Dinge wie möglich zu verbessern. Die vier Hauptachsen der Arbeit sind die Feinabstimmung des Riggs und des Fahrers, die Anbauteile und der Rumpf des Boards."

Strömungsanalyse
Die Strömungsanalyse wird dort durchgeführt, wo sonst auch die Formel 1 ihre Fahrzeuge optimiert.

Habt ihr die (finanziellen) Mittel, um wirklich das ganze Windsurfing-Konzept anzugehen, oder müsst ihr euch auf die Details konzentrieren?
Marc Amerigo: "Im Moment begleiten uns etwa 80 Personen und 50 Firmen aus der ganzen Welt und öffnen uns Türen, um zum Beispiel Zugang zu Windkanälen und Rechenzentren zu erhalten. Wir denken das Konzept komplett neu, behalten aber die Vorstellung von einem Brett und einem Segel bei."

Habt ihr schon einen Plan von dem, was ihr genau bauen wollt?
Marc Amerigo: "Wir haben einige Ideen, ja, und mehrere Arbeitslinien, aber wir werden vor den ersten Versuchen und Rekordversuchen nichts darüber kommunizieren."

Antoine Albeau im Messanzug
Nicht der Mork vom Ork, sondern Antoine in einem Anzug, der genau vermessen werden kann.

Habt ihr bereits Prototypen getestet? Wie sehen die zeitlichen Pläne aus?
Marc Amerigo: "Wir haben die ersten Segelprototypen mit Robert Stroj, dem Designer von NP entwickelt und gute Fortschritte erzielt, aber das ist erst der Anfang. Die ersten Tests auf dem Wasser sollen im April durchgeführt werden. Es ist geplant, die ersten Versuche zur Erhöhung der Geschwindigkeiten auf einem klassischen Board mit Finnen und Foils im Sommer 2021 auf der Speedstrecke in La Palme mit Unterstützung von Andrea Baldini zu starten."

Kann der Körper des Windsurfers in Bezug auf das Rigg auch als Segelfläche (Wingsuit, etc.) verwendet werden?
Marc Amerigo: "Ich will nicht zu sehr darüber reden, aber wir haben einige Antworten im Windkanal bekommen. Wir haben gesehen, dass der Körper des Fahrers einen starken Luftwiderstand darstellt. Wir arbeiten an einem speziellen Wingsuit, der zur Leistung und Balance des Ganzen beitragen wird."

Windsurfer im Windkanal
Die Windkanalnutzung soll helfen, das Gesamtsystem des Windsurfens und die momentan limitierenden Faktoren besser zu verstehen.

Könnt ihr euch Winglets an der Segelspitze als eine Möglichkeit zur Reduzierung von Turbulenzen vorstellen?
Marc Amerigo: "Warum nicht, ja, wir werden tun, was nötig ist, um die beste Leistung Riggs zu erzielen. Tip-Winglets, wie bei einem Flugzeug, sind eine Art von Lösung, aber nicht unbedingt notwendig, je nach Outline des Segels. Es sind unsere Berechnungen und Windkanaltests, die zu der besten technischen Wahl führen werden. Es ist durchaus möglich, dass wir keine Winglets benötigen."

Seht Ihr die Möglichkeit, die Geschwindigkeit des Windsurfboards durch den Einsatz von (Mikro-)Foils zu verbessern? Ich sage bewusst Micro-Foils, weil wir denken, dass bei hoher Geschwindigkeit nur winzige Flügel notwendig wären, um ein Brett ein paar Zentimeter über die Wasseroberfläche zu heben.
Marc Amerigo: "Für eine sehr hohe Leistung ist es wichtig, drei Faktoren zu optimieren: Widerstand, Geschwindigkeit und Stabilität. Es ist der beste Kompromiss, der durch unsere verschiedenen Berechnungsansätze erzielt wird, der die technologische Wahl entscheidet. Es ist klar, dass das Fliegen in einem Meter Höhe über der Wasseroberfläche, wie bei den aktuellen Foils, zu Stabilitätsproblemen führt. Andererseits führt eine zu große Nähe zur Oberfläche zu einer schlecht kontrollierten Reibung mit dem Wasser. Es muss ein guter Kompromiss gefunden werden. Und das ist extrem wichtig und schwierig."

Marc Amerigo (im Bild links)
Marc Amerigo (li.) ist ein Macher, der es versteht, Kooperationen aus diversen Disziplinen ins Projekt zu holen.

Seht ihr bei den Foils die Möglichkeit, die Position des Flügels dank computergesteuerter Mikroaktuatoren (denkt an Systeme, die das Gleichgewicht von Drohnen steuern) zu verändern, um eine perfekte Position des Boards im Wasser zu gewährleisten? Wir hatten ein solches System im Rahmen eines Artikels auf DAILY DOSE skizziert ( Link ).
Marc Amerigo: "Diese Art von unterstützten elektronischen Reglern wird für einige Entwicklungen unverzichtbar sein, ist aber nicht eindeutig für offizielle WSSRC-Weltrekorde zugelassen, wie z.B. wenn es um Momentangeschwindigkeiten mit GPS oder die besten 500m im Freiwasser geht. Zur Erinnerung: Es gibt Vorschriften, die beachtet werden müssen. Zum Beispiel wurden die 53,27 Knoten des aktuellen Windsurf-Rekords unter sehr strengen Rahmenbedingungen aufgestellt. Wir werden also je nach Zielsetzung auf mehreren Brettern spielen müssen."

Im ersten Halbjahr 2021 sollen erste Segelprototypen getestet werden. Im zweiten Halbjahr 2021 soll ein Boardprototyp in den Test gehen.

15.02.2021 © DAILY DOSE  |  Text: Christian Tillmanns  |  Fotos/Grafiken: Richard Bord