Henri Kolberg - Interview

Interview

Henri Kolberg

"Wer ist das mit dem orangen Segel?!" Der Fotograf neben mir hat den Rider mit der Segelnummer G-45 fest im Fokus, die Performance verspricht gute Bilder. Henri rotiert doppelt und springt hoch, extrem hoch. Oben aus dem Bildausschnitt - gefühlt für eine Ewigkeit, dann ist er wieder da und steht das Ding. Kein Zufall - hartes Training nach einer Verletzungspause.

Vor kurzem gewann Henri Kolberg das Wavesailing beim Windsurf Cup auf Sylt. Kurz zuvor hatten wir ein Interview mit dem Surfer aus Schuby geführt - nicht das erste, schon vor gut achten Jahren ist uns Henri als damals 14-Jähriger auf dem Wasser aufgefallen (könnt ihr hier noch lesen).


Die Turns auf der Welle sahen ziemlich gut aus. Welches Board bist du an diesem Tag gefahren?

Mein Lieblingsboard ist das Naish Custom Quad 78. Zusammen mit den neuen Maui Ultra Fins ist das Board perfekt zum Wellenabreiten. In der Vergangenheit lag mein Fokus immer sehr auf dem Springen. Den Weg zurück zum Strand habe ich eigentlich nur genutzt, um Höhe zu gewinnen und wieder rausfahren zu können und zu springen. Seitdem ich auf den Naish Boards bin, hat sich das komplett verändert. Ich habe das erste Mal richtig Spaß am Wellenabreiten in onshore Bedingungen. Ich war jetzt über Weihnachten und Sylvester 5 Wochen in Kapstadt und konnte dort auch ordentlich an meinen Turns arbeiten.

Henri Kolberg beim World Cup auf Sylt

Fährst du hauptsächlich dieses Board, oder wechselst du je nach Windstärke und Bedingung auf einen anderen Shape?

Ich fahre sehr gerne recht radikale Shapes und gehe bei Leichtwind oder schlechten Bedingungen dann einfach in den Litern ein bisschen hoch. Das funktioniert für mich aktuell am besten. Dieses Jahr bring Naish zu dem aktuellen Quad noch eine Europa-Version raus. Die ist leicht modifiziert für die Bedingungen, die wir auch in Deutschland und vor allem Dänemark haben. Auf das Board freue ich mich sehr und bin gespannt in welchen Bedingungen ich dann zu welchem Shape greife.

Henri Kolberg - Double Forward

Double Forwards sehen immer brutal aus - hast du dich dabei schon verletzt?

Beim Double richtig verletzt nicht. Aber der Kopf kann danach schon mal etwas weh tun. Meistens geht das aber nach ein paar Minuten weg, aber hin und wieder bleibt das auch mal ein paar Tage. Mein Ziel ist natürlich den so clean zu stehen, dass ich keine Kopfschmerzen mehr habe. Nach meiner Verletzung vor einem Jahr sind meine Doubles leider ein wenig schlechter geworden. Aber ich komme so langsam wieder in den Rhythmus die regelmäßig zu probieren.

Henri Kolberg - One Handed Backloop

Du hattest im vergangenen Jahr eine längere Verletzungspause, was genau ist passiert?

Vor einem Jahr hat mich mein guter Kumpel Jake aus Hawaii für ein Wochenende besucht und ich wollte ihm Cold Hawaii zeigen. Wir hatten an dem Tag die besten Wellen, die ich jemals in Dänemark gesehen habe. Es war eher wie ein Riff im Pazifik als die Nordsee. Am Ende des langen Tages hatte ich dann noch einen großen Aerial und bin super flach und weit vor der Welle gelandet. Da hat mein Knöchel dann einfach nachgegeben. Ich kenne das Gefühl ja mittlerweile schon und wusste sofort, dass ich mir etwas gebrochen habe. Die Woche danach sollte ich eigentlich im Flugzeug auf die Kapverden sitzen. Stattdessen lag ich im Krankenhaus und wurde operiert. Nach meinem nächsten Trip werde ich wohl auch nochmal operiert, um die Schrauben entfernen zu lassen.

Henri Kolberg - Wellenritt in Weißenhaus

Wie hast du dich danach wieder aufs Surfen vorbereitet?

Über einen Kontakt bei Naish bin ich in ein richtig gutes Physiozentrum in Hamburg gekommen. Die haben mir viel geholfen und mit Ralph, dem Arzt dort, konnte ich sehr individuell trainieren. Wir haben uns sogar einige Male noch abends, nachdem die Praxis geschlossen hatte, getroffen und noch ein paar Stunden bis mitten in die Nacht trainiert. Das war wirklich optimal. Wir konnten so auch vor der Trainingseinheit über Ultraschall sehen, wie weit die Heilung schon war und genau nach dem aktuellen Stand trainieren. An dem Tag, als ich wieder voll Gehen durfte, bin ich dann nach Bali geflogen, um wieder ins Wasser zu kommen und meine ersten Schritte auf einem Wellenreitboard zu machen. Bis ich wieder Windsurfen konnte, hat es dann aber noch ein paar Wochen gedauert und so richtig angefangen habe ich erst wieder vor dem World Cup auf den Kanaren. Ich merke die Verletzung auch jetzt immer noch. Aber nachdem der Knöchel jetzt schon auf beiden Seiten gebrochen war und ich insgesamt schon vier Mal dort operiert wurde, war das auch ein wenig zu erwarten.

Henri Kolberg - ultrahoher Backloop

Gehst du auch noch Freestylen, wenn der Wind nicht für Wave-Bedingungen reicht?

Tatsächlich war ich erst neulich mal wieder auf der Schlei Freestylen. Seitdem ich selber Autofahren kann, versuche ich aber eigentlich immer in die Wellen zu kommen. Mittlerweile Winge ich auch recht viel und das hat dann hier an meinem Homespot ein wenig das Freestyle-Windsurfen abgelöst, wenn der Wind eh so auf der Kippe zum Windsurfen ist.

Henri Kolberg - Bottom Turn

Betreibst du andere Sportarten ähnlich intensiv wie das Windsurfen?

So intensiv wie Windsurfen betreibe ich keine andere Sportart. Aber grundsätzlich liegen mir Wassersportarten schon sehr. Ich Winge sehr viel und auf meinen Reisen gehe ich auch immer gerne Wellenreiten. Da versuche ich auch wirklich besser zu werden und an meinen Turns zu arbeiten. Ich würde auch gerne so richtig gut Wellenreiten können. Ich glaube auch, dass das meinem Windsurfen enorm helfen würde.

Henri Kolberg - Pushloop

Wie sieht es mit der beruflichen Karriere aus?

Ich studiere nebenbei Mediendesign online und kann das von überall aus machen. Als Windsurfer gehören Fotografieren, Filmen, Schneiden, Fotoshoots und alles, was mit Marketing zu tun hat, auch dazu und so habe ich angefangen auch in diese Richtung zu gehen. Desto mehr ich mich mit Mediendesign auseinandersetze, umso mehr erkenne ich da auch eine Leidenschaft und freue mich das weiter zu vertiefen.

Henri Kolberg - Aerial

Welche Pläne hast du in dieser Saison und den nächsten Jahren?

Ich möchte unbedingt nochmal auf der PWA Tour voll angreifen. In der Jugendkategorie war mein Ziel immer klar. Ich wollte der Beste sein und ganz oben stehen. Auf gewisse Weise habe ich das ja auch noch geschafft und mein letztes Jahr in der u20 Klasse als Nummer 1 beendet, auch wenn es in dem Jahr durch Corona kein offizieller Weltmeistertitel war. Durch Corona war der Übergang zu den Männern aber auch nicht leicht und man wurde dann letztes Jahr ein bisschen ins kalte Wasser geworfen. Bei den Männern ist die Zielsetzung natürlich ein wenig anders. Die nächsten Jahre möchte ich auf alle Fälle voll angreifen und hoffe, dass ich nochmal ohne Verletzung die Chance bekomme auch weiter oben mitzumischen. Nebenbei werde ich mein Studium und die Arbeit darum weiterverfolgen und hoffe, dass ich da auch über die nächsten Jahre meinen Weg gehen werde.

Henri Kolberg - Windsurfen im Winter auf der Ostsee

Du warst in diesem Jahr bereits beim PWA/IWT Event in Chile. Wo geht es für dich als nächstes hin?

Das nächste große Event für mich ist Gran Canaria im Sommer. Ich mag es immer gerne, ein Ziel zu haben, worauf ich hinarbeiten kann. Wenn ich jetzt im Wasser oder an Land trainiern, motiviert mich das nochmal mehr, wenn man weiß wofür man trainiert.


Wir wünschen dir viel Erfolg! Unten seht ihr noch einen 30-Sekunden-Clip mit Henri Kolberg in Weißenhaus (Aufnahme aus Februar 2023).

07.06.2023 © DAILY DOSE  |  Text: Jürgen Schall  |  Fotos/Grafiken: Jürgen Schall, PWA / John Carter